Freddy Litten

(Frederick S. Litten)

Philipp Fauth ‒ Leben und Werk

Aus dem autobiographischen Nachlaß zusammengestellt von Hermann Fauth.

Herausgegeben von Freddy Litten

Algorismus. Studien zur Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften, Heft 9.
München: Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, 1993. XI, 297 S. ISBN: 3-89241-008-9.
erhältlich im Buchhandel oder beim Verlag / available from bookstores or from the publisher

Philipp Fauth (1867-1941): Volksschullehrer, Mondbeobachter, Verfechter der "Welteislehre"

Aus dem Nachwort von Freddy Litten (S. 289-291):

"[...] Diese (Auto-) Biographie ist naturgemäß sehr persönlich und subjektiv gehalten, wodurch sie durchaus unübliche Einblicke in die Persönlichkeit Fauths bietet. Auf der anderen Seite enthält sie einige korrektur- bzw. ergänzungsbedürftige Aussagen, deren wichtigste hier kurz behandelt werden sollen.

Welteislehre

Es ist verständlich, daß Philipp Fauth, nachdem er sich einmal für die WEL entschieden hatte, zeitlebens nicht mehr davon abging. Ebenso ist zu verstehen, daß der Sohn Hermann hier den Vater nicht kritisieren wollte. Nichtsdestoweniger steht fest, daß die WEL von Anfang an Unsinn war und in einer Reihe z.B. mit der Hohlwelttheorie oder der geozentrischen Theorie Johannes Schlafs [...] stand. Unter diesem Aspekt müssen die entsprechenden Abschnitte gelesen werden.

Weitere Informationen zur [ursprünglich auf Hanns Hörbiger zurückgehenden] Welteislehre, ihrer erstaunlichen Verbreitung und deren Hintergründe finden sich bei Nagel (siehe das Literaturverzeichnis am Ende dieses Kapitels).

Mondbeobachtung

Im Gegensatz zu seinen WEL-inspirierten kosmogonisch/kosmologischen Interpretationen erlauben Fauths Beobachtungsleistungen, besonders den Mond betreffend, hohe Anerkennung. Ohne Zweifel war er einer der bedeutendsten visuellen Mondbeobachter überhaupt. Es war sein Schicksal, daß er zu einer Zeit wirkte, als nicht nur die visuelle Mondbeobachtung durch die photographische abgelöst wurde, sondern generell die Astronomie sich anderen, zum Teil astrophysikalischen Themen zuwandte, denen Fauth verständnislos und ablehnend gegenüberstand. Dies erklärt, neben seinem Eintreten für die WEL, warum Fauth nie in der Fachastronomie die Anerkennung finden konnte, die auch sein Sohn gerne für ihn reklamieren wollte. Für die Amateurastronomie hingegen, in der die visuelle Mondbeobachtung ja noch länger eine Rolle spielte, war Fauth durch seine Karten und durch sein Buch "Unser Mond" [1936] (in dem die WEL nur eine sehr marginale Rolle spielt) von einiger Bedeutung.

Die Geschichte der Mondkartierung behandeln Kopal/Carder und Wolfschmidt, vergleiche auch Ashbrook.

Fauth und die Nationalsozialisten

Es geht in der vorliegenden Biographie etwas unter, daß Fauth die Sicherung seiner Sternwarte in der Zeit des Dritten Reiches vor allem dem persönlichen Interesse Heinrich Himmlers, des Reichsführers SS und damit obersten Dienstherren des SS-Ahnenerbe, verdankte. Himmler war wohl der überzeugteste Anhänger der WEL in der Führung der Nationalsozialisten, und er setzte es auch durch, daß Fauth 1939 Professor wurde, ohne an eine Hochschule gebunden zu sein. Dieses Interesse ging so weit, daß ein Plan zur Errichtung einer ganzen Reihe von SS-Sternwarten, ausgerüstet mit Medialen, ins Auge gefaßt wurde, der allerdings durch den Kriegsverlauf keine Verwirklichung fand. Für Fauth war diese Verbindung mit dem Ahnenerbe wohl weniger ideologisch bedingt als vielmehr pragmatisch. Er hatte endlich jemanden gefunden, der die WEL begrüßte und die entsprechenden Mittel besaß. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt indes.

Die Verbindung mit dem Ahnenerbe wird bei Kater und Litten behandelt, auch sei nochmals auf Nagel hingewiesen.

Literaturverzeichnis

Ashbrook, Joseph: The Fauth Moon Atlas. In: Sky and Telescope 30 (1965), S. 202, 210.
Kater, Michael H.: Das "Ahnenerbe" der SS 1935-1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches. Stuttgart 1974.
Kopal, Zdenek; Carder, Robert W.: Mapping of the Moon. Past and Present. Dordrecht, Boston 1974.
Litten, Freddy: Astronomie in Bayern 1914-1945. Stuttgart 1992. (Hier auch weitere Literatur zu Fauth.)
Nagel, Brigitte: Die Welteislehre. Ihre Geschichte und ihre Rolle im "Dritten Reich". Stuttgart 1991. [Neuauflage: Stuttgart 2000.]
Wolfschmidt, Gudrun: Die Bedeutung der Mädlerschen Mondkarten in der Entwicklung der Mondtopographie. In: Deutsches Museum. Wissenschaftliches Jahrbuch 1990. München 1990. S. 132-154. [...]"

© Freddy Litten


[Anmerkung 22.12.2022:
Ich war auf diesen von Hermann Fauth aus Dokumenten seines Vaters Philipp zusammengestellten und zum Teil auch selbst verfassten Text im Rahmen meiner Dissertation zur "Astronomie in Bayern 1914–1945" bei Hermanns Witwe, Irmgard Fauth, gestoßen.
Es handelt sich hier nicht um eine wissenschaftliche – d.h.: kritische, um Objektivität und Überprüfbarkeit bemühte – Biographie, sondern, wie es Klaus Hentschel in seiner Rezension in der amerikanischen Fachzeitschrift "ISIS" (86:3, 1995, S. 519) formulierte, um eine mit einer "unverkennbar hagiographischen Intention" verfasste.
Dennoch erschien es dem Herausgeber der Reihe "Algorismus", Prof. Menso Folkerts, und mir sinnvoll, diesen Text inhaltlich unverändert und lediglich mit einem kurzen, grob einordnenden Nachwort versehen zu veröffentlichen, da die Gefahr bestand, dass er beim nächsten Erbfall verloren gehen könnte. Und dies, obwohl er nicht nur als Quelle für eine, vermutlich nie zu realisierende, wissenschaftliche Biographie Philipp Fauths dienen könnte, sondern weil er auch als eines der wenigen (Selbst-)Zeugnisse eines durchaus erfolgreichen Amateurwissenschaftlers jener Zeit ebenso von Interesse sein mag wie für die Erforschung der Geschichte der Mondbeobachtung, der "Welteislehre" als Pseudowissenschaft oder auch der Sozialgeschichte deutscher Lehrer.
Eine ausführliche Kommentierung war damals aus verschiedenen Gründen nicht möglich; letztlich wäre sie meines Erachtens auch nicht sinnvoll gewesen, denn so bedeutend war und ist Philipp Fauth nicht, und so umfangreich war auch die zu erwartende Leserschaft nicht, um den dafür nötigen, erheblichen Aufwand zu rechtfertigen.]

13.7.2023