Freddy Litten

(Frederick S. Litten)

"Er half ..., weil er sich als Mensch und Gegner des Nationalsozialismus dazu bewogen fühlte" ‒ Rudolf Hüttel (9.7.1912-12.10.1993)1

[ursprünglich erschienen in Mitteilungen der Gesellschaft Deutscher Chemiker ‒ Fachgruppe Geschichte der Chemie, Nr. 14, 1998, S. 78-109. Bei Übernahme von Informationen bzw. Interpretationen aus diesem Beitrag bitte vorzugsweise die gedruckte Version zitieren, oder diese unter Angabe von Autor, Titel und vollständigem URL.]

Einen der nicht besonders zahlreichen Lichtblicke in der Geschichte der Universität München zwischen 1933 und 1945 stellt der Chemiker Heinrich Wieland dar, dessen Unterstützung "halbjüdischer" Studenten in den letzten Kriegsjahren zu Recht Würdigung findet.2 Allerdings wird dabei ein wenig unterschätzt, daß Wieland keineswegs allein stand. Zum einen fand er Unterstützung im Kreis seiner Fakultätskollegen, von denen einige eine mindestens ebenso große Abneigung gegen den Nationalsozialismus und seine Vertreter empfanden wie er (z.B. der Mathematiker Oskar Perron)3; zum anderen hatte er auch mit seinen Kollegen und Mitarbeitern in der Münchner Chemie zumeist Glück. In diesem Zusammenhang erscheint mir sein Assistent Rudolf Hüttel besonders erwähnenswert, der leider in den bisherigen Darstellungen bestenfalls eine marginale Rolle einnimmt.

Rudolf Hüttel wurde am 9. Juli 1912 in Amberg in der Oberpfalz geboren. Nach der Reifeprüfung an der Alten Oberrealschule in Nürnberg 1931 studierte er Chemie an den Universitäten München, Kiel, Freiburg/Breisgau und wiederum München, wo er im Oktober 1934 das "Verbandsexamen" (Diplom) ablegte. In München führte er auch seine Doktorarbeit aus, zeitweise als Hilfskraft bzw. Assistent für das Chemische Praktikum für Mediziner am Chemischen Laboratorium des Staates beschäftigt. Am 13. Mai 1937 promovierte er bei Wieland mit "summa cum laude" zum "Dr.phil.nat." mit den Prüfungsfächern Chemie, Physik und Physiologie.4

Anschließend war Hüttel vom 1. Juni 1937 bis 30. September 1938 Privatassistent bei Gerhard Endres, einem in München habilitierten Chemiker bei der Desinfektionsmittel herstellenden Firma Schülke & Mayr AG in Hamburg.5 Danach kehrte Hüttel wieder nach München zurück, ab 15. Oktober 1938 zuerst als außerplanmäßiger Assistent und Bibliothekar, ab 1. Dezember 1939 als wissenschaftlicher Assistent am Chemischen Laboratorium der Universität München.6

An dieser Stelle erscheint es angebracht, kurz die Geschichte dieses Laboratoriums zu beleuchten.7 1807 war die Bayerische Akademie der Wissenschaften zu einem Staatsinstitut umgewandelt worden, an das u.a. der bis dahin in Halle tätige Chemiker Ferdinand Adolph Gehlen berufen wurde. Er bemühte sich sogleich um die Einrichtung eines bereits seit längerem als Desiderat empfundenen Chemischen Labors, das schließlich 1816 als Attribut der Bayerischen Akademie der Wissenschaften seinem frisch gewählten Nachfolger Heinrich August Vogel übergeben werden konnte. 1827 wurde das Chemische Laboratorium Teil des neu gegründeten Generalkonservatoriums der Wissenschaftlichen Sammlungen des Staates (ab 1917 Verwaltung der Wissenschaftlichen Sammlungen des Staates), so daß es korrekt "Chemisches Laboratorium des Staates" hieß, tatsächlich aber auf verschiedene Weise weiterhin in engem Kontakt mit der wieder "entstaatlichten" Bayerischen Akademie der Wissenschaften und außerdem mit der 1826 von Landshut nach München verlegten Ludwig-Maximilians-Universität stand.

1852 ging Vogel in den Ruhestand, sein Nachfolger wurde der wohl berühmteste Chemiker seiner Zeit, Justus Freiherr von Liebig, der die Leitung bis zu seinem Tode 1873 innehatte. Sein Nachfolger sowohl als Leiter des Chemischen Laboratoriums als auch als Lehrstuhlinhaber für Chemie an der Münchner Universität wurde 1875 Adolf von Baeyer, der nicht nur in der Forschung Bedeutendes leistete (Nobelpreis 1905), sondern aus dessen Institut auch allein vier Nobelpreisträger ‒ Eduard Buchner (1907), Emil Fischer (1902), Heinrich Wieland (1927) und Richard Willstätter (1915) ‒ und zahlreiche weitere Professoren hervorgingen.

1915 ließ sich Baeyer von seinen Verpflichtungen entbinden; sein Nachfolger wurde Richard Willstätter, der von 1902 bis 1905 bereits die organische Abteilung des Laboratoriums geleitet hatte. Er trat 1924, aufgrund antisemitischer Tendenzen bei Berufungen in der Philosophischen Fakultät II. Sektion (ab 1937 Naturwissenschaftliche Fakultät) der Universität München, zurück;8 sein Nachfolger wurde 1925 Heinrich Wieland, der ebenfalls schon die organische Abteilung von 1913 bis 1917 geleitet hatte.

Im Zuge der Neuordnung der wissenschaftlichen Institute in München wurde das Chemische Laboratorium mit Wirkung vom 1. April 1937 aus der Verwaltung der Wissenschaftlichen Sammlungen des Staates herausgelöst und der Universität München zugeordnet; der entsprechende Erlaß datiert auf den 18. März 1938.9

Zur Zeit von Hüttels Studium und früher Tätigkeit in München wurde die anorganisch-analytische Abteilung (und das Atomgewichtslabor) des Chemischen Laboratoriums von dem ordentlichen Professor Otto Hönigschmid10 geleitet, die anorganische Abteilung von Wilhelm Prandtl, ab 1938 (zuerst vertretungsweise) von dem außerordentlichen Professor Egon Wiberg; die organische Abteilung stand unter der Leitung des planmäßigen außerordentlichen Professors für organische Chemie Erich Schmidt11. Sie alle standen, ungeachtet ihrer jeweiligen politischen Einstellung, im Zweifelsfall auf Wielands Seite.12

Daneben existierte seit 1932 als eigenständige Einrichtung zuerst innerhalb der "Verwaltung", ab 1937 der Universität München, noch das mit Mitteln der Rockefeller-Foundation erbaute Physikalisch-Chemische Institut, das bis 1935 unter der Leitung Kasimir Fajans' 13 stand. Nach dessen Entlassung aus rassischen Gründen wurde es ab 1936 von Klaus Clusius geleitet, der sich aber nicht nur in wissenschaftlicher, sondern auch in "politischer" Hinsicht als Kollege Wielands erwies.14

Politisch-beruflicher Werdegang Hüttels bis 1945

Wie sah es nun um Hüttel in politischer Hinsicht aus?15 Im Sommer 1933 hatte er in Kiel eine Bücherverbrennung mitangesehen ‒ und sie widerlich gefunden. Im nächsten Semester, in Freiburg, fand er einen Organikersaal vor, der hauptsächlich mit SA-Studenten belegt war, die dem örtlichen "Studentensturm" angehörten. Es handelte sich, wie Hüttel sich erinnerte, um eine "wohlgesittete SA", ähnlich einem Schützenverein, in die er auf Anraten von Freunden freiwillig im November 1933 eintrat.16 Die Aktivitäten bestanden im wesentlichen im Besuch von Vorträgen, z.B. von Hermann Staudinger über den Gaskrieg im Ersten Weltkrieg, und in sonntäglichen Geländeübungen.

Als Hüttel im April 1934 wieder nach München wechselte, trat er dort in einen SA-Sturm ein, der zwar weniger "elitär" war als der Freiburger, ihm jedoch erlaubte, dem Studium in Ruhe nachzugehen. Trotzdem bemühte er sich seitdem, aus der SA auszutreten, im Zweifelsfall auf dem Weg über das Nationalsozialistische Kraftfahrerkorps (NSKK), was ihm 1938/39 (Übertritt in das NSKK) bzw. 1942/43 (Austritt aus dem NSKK) tatsächlich gelang.17

Während seiner Zeit in Hamburg, genauer am 29. Juli 1937, stellte Hüttel einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP. Diese Aufnahme erfolgte dann rückdatiert auf den 1. Mai 1937 unter der Nummer 5182288.18 Wie er nach dem Krieg erklärte, hatte man in Hamburg die SA-Mitglieder veranlaßt, in die Partei einzutreten; im Falle einer Weigerung hätte er die SA-Mitgliedschaft verloren und damit die Chance, seine Hochschullaufbahn fortzusetzen.19 Hierzu ist anzumerken, daß zwar die Parteimitgliedschaft keineswegs in jedem Fall Voraussetzung für eine universitäre Karriere war, daß man jedoch als junger Wissenschaftler normalerweise Mitglied in irgendeiner NS-Organisation sein mußte (und sicherlich nicht aus einer solchen entfernt worden sein durfte), um wenigstens die in anderen Zeiten normale Karriere machen zu können. Obwohl ich gewisse Zweifel an der "Überführung" der SA-Mitglieder in die NSDAP habe, gibt es keine Hinweise, daß er etwa aus Überzeugung eintrat.20 Auf der anderen Seite ist dieser Eintritt aber noch Ausdruck des "Mitläufertums", das Hüttel für jene Zeit selbst in der Erklärung zum Großen Fragebogen mit Einschränkung eingesteht.21

Dies sollte sich indes bald ändern. Vermutlich war es eine Kombination mehrerer Faktoren, die Hüttel vom Mitläufer zum Gegner des Nationalsozialismus machten. Zum einen ist sicherlich der Wiedereintritt in das Chemische Laboratorium zu nennen, nun aber in einer gehobeneren Position, mit engerem Kontakt zu Wieland und in direkter Konfrontation mit der sich verschärfenden nationalsozialistischen Politik gegenüber "Mischlingen".22 Zum anderen führten ihm die Sudetenkrise und noch mehr natürlich der Kriegsausbruch vor Augen, wohin das Schiff trieb.23

Vorerst scheint jedoch, wenn man den zeitgenössischen Akten folgt, noch das wissenschaftliche Fortkommen im Vordergrund gestanden zu haben (Tatsächlich belegen spätere Aussagen, daß dieser Schein trügt, s.u.). Dank des Einsatzes Wielands und mit Befürwortung des Dekans Wilhelm Müller24 wurde Hüttel uk-gestellt, obwohl sich dies als nicht ganz problemlos erwies.25 Am 24. April 1942 habilitierte sich Hüttel mit einer Arbeit über "Synthesen mit Propargylaldehyd"26, nachdem der Leiter der Dozentenschaft keine Einwände erhoben hatte.27

Am 30. März 1943 beantragte Hüttel eine Dozentur für Chemie an der Universität München; auch dagegen hatte der Dozentenschaftsleiter keine Bedenken, da er Hüttel für "politisch durchaus zuverlässig" hielt.28 Am 5. Oktober 1943 wurde Hüttel schließlich vom Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung die Lehrbefugnis für Chemie erteilt; als Dozent an der Naturwissenschaftlichen Fakultät hatte er nun das Fach Chemie zu vertreten.29

Der Donauwörther Prozeß 1944

Genau zu jener Zeit werden jedoch Verhältnisse am Chemischen Laboratorium aktenkundig, die auch Hüttel betrafen. Den Beginn machte ein Bericht eines nach München zum Studium beurlaubten Offiziers, den dessen Kommandierender General dem mit ihm befreundeten Stabsleiter im Bayerischen Kultusministerium, Obergebietsführer Emil Klein, zusandte. Klein, damals wohl der mächtigste Mann im Kultusministerium,30 sandte einen Auszug aus dem Bericht am 1. Juni 1943 mit der Bitte um Stellungnahme an den Rektor der Universität München, Walther Wüst.31

"Die Betreuung an der Hochschule ließ zu wünschen übrig. [...] Beim jetzigen Urlaub habe ich festgestellt, daß im Münchner chem. Institut eine Atmosphäre herrschte, in der man sich als Fronturlauber gerade noch geduldet vorkam. Ich bin der Sache nachgegangen und habe festgestellt, daß der größte Teil der männlichen Studenten aus jüdischen Mischlingen bestand, die mit wenigen Ausnahmen seit Beginn des Krieges ununterbrochen studieren. Ich habe das der Studentenführung der Universität München zur Kenntnis gebracht und dargelegt, daß man sich bei einer solchen Sachlage über eine Entgleisung gewisser Elemente nicht wundern dürfe und habe vorgeschlagen, diese Leute dem Arbeitseinsatz zuzuführen. Ich habe Grund anzunehmen, daß mein Bericht nicht weitergeleitet wurde, denn er wurde dem Fachschaftsleiter ausgehändigt, der mir zunächst seine Verwunderung ausdrückte, daß ich mich nicht an ihn, sondern sofort an den Studentenführer gewandt habe, und mir dann sagte, ihm seien die Verhältnisse bekannt, man könne jedoch dagegen nichts unternehmen.
Ich habe im gleichen Bericht auch folgende Sache zur Kenntnis gebracht: Der Prof. E. Schmidt sprach in seiner Vorlesung über eine chem. Formel und erklärte memnotechnisch[!]: "Brücke - b - Stellung, es gibt auch noch andere Brücken, die Brücke über die Beresina ist so eine". (Nach dem Fall Stalingrad). Die Judensippe quittierte diese demonstrative Äußerung mit einem beifälligen Grinsen.
Der Fachschaftsleiter erklärte mir hierzu, Schmidt würde öfters solche Äußerungen einfließen lassen, er meine es nicht so. (Die englandfreundliche Gesinnung des Prof. Schmidt ist allgemein bekannt).
Es ist in diesem Zusammenhang nur zu begrüßen, daß die Studentenführer allmählich durch versehrte Soldaten ersetzt werden."

Rektor Wüst antwortete am 10. Juni 194332:

"An der Universität München studieren gegenwärtig 23 Mischlinge. Diese wurden ausnahmslos vom Reichswissenschaftsministerium zum Studium zugelassen, weil ganz besondere Voraussetzungen (Kriegsteilnehmer, besondere Bewährung) eine solche Ausnahme rechtfertigten. Da die Berufe des Rechtswahrers, des Erziehers oder Arztes dem Mischling fast völlig versperrt sind, wenden sich die Mischlinge zumeist dem naturwissenschaftlichen Studium zu.33 So kommt es, daß von den 23 Mischlingen, die an der Universität München studieren, 16 (davon 12 Männer) am Chemischen Laboratorium arbeiten. An diesem Laboratorium haben im letzten Semester 210 Studenten (darunter 89 Männer) Arbeitsplätze belegt. Dabei sind nur die Studenten gezählt, die Naturwissenschaften (Chemie, Physik) als Hauptfach gewählt haben. Die große Zahl der Mediziner, die nebenbei dort Chemie studieren, ist nicht mitgezählt. Bei insgesamt 210 Chemiestudenten bedeuten die 16 Mischlinge einen Anteil von 7,6%, unter 89 männlichen Studenten machen 12 Mischlinge 13,5% aus. Angesichts dieser Tatsache zu behaupten 'ich habe festgestellt, daß der größte Teil der männlichen Studenten aus jüdischen Mischlingen bestand', das kann ich nur als eine leichtfertige Verallgemeinerung bezeichnen, die schärfste Zurückweisung verdient. [Es folgt eine Betonung der guten Beziehungen zwischen Wehrmacht und Universität.] Zum Schlusse bin ich noch um eine Beurteilung des Herrn Professors Dr. Erich Schmidt ersucht. [...] Er ist fachlich ausgezeichnet beurteilt, ist Parteigenosse seit 1933, persönlich ist er mir nicht bekannt, Nachteiliges in politischer Hinsicht ist mir über ihn bis jetzt nicht kundgeworden. Der Dozentenschaftsleiter, den ich fernmündlich um Auskunft gebeten habe, hat ihn u.a. als einen Menschen bezeichnet, der für den nationalsozialistischen Staat eintritt."34

Dieser "Fall" war damit erledigt, doch der nächste bahnte sich bereits an. Die "Weiße Rose", eine hauptsächlich studentische Widerstandsgruppe um die Geschwister Hans und Sophie Scholl, Willi Graf, Christoph Probst, Alexander Schmorell und den Münchner Universitätsprofessor Kurt Huber, war im Februar 1943 zerschlagen worden.35 Doch vor allem ein Chemiestudent, Hans Leipelt, der zum Wintersemester 1941 von der Universität Hamburg nach München an das Chemische Labor gewechselt war, versuchte, die Aktivitäten der "Weißen Rose" fortzuführen. Gemeinsam mit seiner Studienfreundin Marie-Luise Jahn schrieb er das sechste und letzte Flugblatt der "Weißen Rose" ab und vervielfältigte es mit dem Zusatz "Und ihr Geist lebt trotzdem weiter"; außerdem organisierte er mit Wolfgang Erlenbach36 eine Geldsammlung für die Witwe Kurt Hubers, Clara Huber.37 Am 8. Oktober 1943 wurde Leipelt festgenommen, in der Folge weitere Personen aus seinem privaten und studentischen Umfeld.38

Gegen neun Personen wurde in diesem Zusammenhang schließlich Anklage erhoben, gegen sieben (Lieselotte Dreyfeldt, Wolfgang Erlenbach, Valentin Freise, Marie-Luise Jahn, Hans Leipelt, Hedwig Schulz, Dr. Franz Treppesch) am 13. Oktober 1944 in Donauwörth, wohin der Prozeß wegen der Fliegerangriffe auf München ausgelagert worden war, vor dem Volksgerichtshof verhandelt. Die Anträge der Staatsanwaltschaft waren, wie in jenen Jahren üblich, drakonisch: Gegen Leipelt und Jahn wurden die Todesstrafe sowie Ehrverlust auf Lebenszeit, gegen Erlenbach sechs Jahre Zuchthaus und Ehrverlust, gegen Freise drei Jahre Zuchthaus und Ehrverlust (unter Anrechnung von 11 Monaten Untersuchungshaft) und gegen Schulz zwei Jahre Zuchthaus und Ehrverlust (unter Anrechnung von 12 Monaten Untersuchungshaft) gefordert; Dreyfeldt und Treppesch sollten freigesprochen werden.39

Im Gegensatz zur Rolle Wielands ist die Tätigkeit Hüttels für einige der Angeklagten bisher nicht in der Literatur erwähnt, deshalb soll hier einer der damals Betroffenen, Valentin Freise, mit einer unmittelbar nach dem Krieg für Hüttel verfaßten Stellungnahme zu Wort kommen:

"Seit 1942 bis zu meiner Verhaftung arbeitete ich in dem von Dr. Hüttel geleiteten Praktikumssaal des Chem. Universitätslaboratoriums München, der für organisch-chemisches Arbeiten neben einem zweiten, moderner eingerichteten zur Wahl stand. Wegen der als nicht nationalsozialistisch bekannten Einstellung von Dr. Hüttel wurde sein Saal von Halbjuden und sonstigen Nazigegnern unter den Studierenden bevorzugt, im vertrauten Kreis scherzhaft direkt 'der Halbjudensaal'40 genannt. In dem oben erwähnten Volksgerichtshofprozess waren von den 9 Angeklagten 7 Angehörige des Chem. Universitätsinstituts. Von diesen hatten 5 im 'Halbjudensaal' gearbeitet: Ausser dem Hauptangeklagten Leipelt und mir Ernst Holzer, Mirjam David und Lieselotte Dreyfeld. Vier weitere waren bei der Gestapo vorgeladen. Die Beziehungen zwischen Dr. Hüttel und mir gingen bis zu meiner Verhaftung nicht über das Dienstliche hinaus. Trotzdem liess er mich sofort wissen, dass die Gestapo telephonisch im Institut nach mir gefragt habe. Er hatte dieses Ferngespräch zufällig selbst angenommen. So konnte mich die Verhaftung am nächsten Morgen nicht mehr überraschen. Da ich keine Verwandten in München hatte, besuchte mich Dr. Hüttel im Gefängnis, bewirkte für mich die Erlaubnis eigener Bücher, sandte mir mit Kollegen wöchentlich Lebensmittelpakete. Er stand ständig mit meinem Verteidiger in Verbindung und veranlasste unseren Institutsdirektor, Herrn Geheimrat Wieland, als Entlastungszeuge für seine Studenten zur Verhandlung nach Donauwörth zu fahren."41

Der letzte Punkt bedarf einer Ergänzung: Die Idee, Wieland als Zeugen der Verteidigung nach Donauwörth kommen zu lassen, stammte sehr wahrscheinlich von Freises damaligem Anwalt; über Hüttel erfuhr dann Wieland davon.42

Wieweit der Auftritt Wielands beim Verfahren vor dem Zweiten Senat des Volksgerichtshofs am 13. Oktober 1944 schließlich etwas "brachte", abgesehen von einer enormen moralischen Unterstützung der Angeklagten, bleibt ungewiß.43 Jedenfalls folgte das Gericht "nur" in den Fällen Leipelt und Schulz sowie Dreyfeldt und Treppesch44 dem Antrag der Staatsanwaltschaft, Jahn wurde zu 12 Jahren Zuchthaus und 11 Jahren Ehrverlust (unter Anrechnung von 11 Monaten Untersuchungshaft), Erlenbach zu zwei Jahren Gefängnis (unter Anrechnung von einem Jahr Untersuchungshaft), Freise zu einem Jahr Gefängnis (unter Anrechnung von 11 Monaten Untersuchungshaft) verurteilt und danach von der Gestapo "zwangsdienstverpflichtet". Leipelt wurde am 29. Januar 1945 in Stadelheim hingerichtet.45

Aber auch die beiden Chemiestudenten Ernst Holzer und Mirjam David, gegen die in Donauwörth nicht verhandelt wurde, kamen nicht einfach davon. Holzer war zum Zeitpunkt des Donauwörther Prozesses bereits im KZ Buchenwald, das Verfahren gegen ihn wurde abgetrennt und niedergeschlagen, allerdings blieb er bis Kriegsende dort.46 Das Verfahren gegen David, die sich im KZ Ravensbrück/Fürstenberg befand, war abgetrennt worden; gegen sie wurde am 12. Dezember 1944 ebenfalls vor dem Zweiten Senat des Volksgerichtshofs verhandelt. Da sie das von Leipelt vervielfältigte sechste Flugblatt der "Weißen Rose" nach dem Lesen an ihn zurückgegeben und nicht der Polizei gemeldet habe, wurde sie zu zwei Jahren Zuchthaus und zwei Jahren Ehrverlust verurteilt.47

Mirjam David beschrieb nach dem Krieg Hüttels Rolle:

"Von 1940 bis 1942 arbeitete ich im Chemischen Staatslaboratorium unter der Leitung von Herrn Dr. Hüttel. Während dieser Zeit hatte ich täglich Gelegenheit seine untadelige menschliche und politische Haltung kennenzulernen. Der saubere, von nationalsozialistischen Ideologien freie Geist, der gerade in seinem Arbeitssaal herrschte, war im ganzen Institut bekannt, was nicht nur mich, sondern auch andere Gleichgesinnte und vom selben Schicksal Betroffene bewog, gerade ihn zum Lehrer und wissenschaftlichen Betreuer zu wählen. So hat denn auch Dr. Hüttel uns 'Halbarier' nicht nur nie benachteiligt, sondern uns im Gegenteil immer wieder durch seine Gesinnungsäusserungen aufgerichtet und erfreut und in unseren Nöten durch Rat und Hilfe beigestanden. Am 10.11.1943 wurde ich von der Gestapo im Anschluss an die Scholl-Revolte der Universität München verhaftet. Während der 1½ Jahre meiner Haft hat Dr. Hüttel in jeder Weise ausserordentlich teilnehmend meiner Sache gegenübergestanden. Trotz der Gefährdung, der er sich dadurch aussetzte, kam er oft mit meiner Mutter zusammen um sie in bester Weise zu beraten und ihr mühsame Gänge abzunehmen. Als ich verhaftet wurde, arbeitete ich bereits seit 1½ Jahren nicht mehr in Dr. Hüttels Laboratorium; ausserdem lernte dieser meine Mutter erst nach meiner Inhaftierung kennen. Er half also nicht etwa, weil es seine Pflicht als Lehrer oder Bekannter der Familie gewesen wäre, sondern weil er sich als Mensch und Gegner des Nationalsozialismus dazu bewogen fühlte."48

Schließlich bestätigte auch Wieland nach dem Krieg:

"In einem sehr ernsten Hochverratsprozess, in den fünf halbjüdische Studenten des Instituts verwickelt waren, hat sich Dr. Hüttel gegenüber der Gestapo sehr tapfer der Angeklagten angenommen und auch einigen von ihnen in der Haft wesentliche Erleichterungen verschafft."49

Es ist wenig verwunderlich, daß die Gestapo München Hüttel überprüfte; viel mehr dagegen, daß sie ihn für "politisch einwandfrei" befand. Die ganze Ironie dieser Beurteilung zeigt sich in ihrem Datum: 13. Oktober 1944, der Tag des Donauwörther Prozesses.50

Die Situation am Chemischen Laboratorium verschärft sich

Trotz der bisherigen Vorkommnisse stellte ein offensichtlich unerschrockener Wieland Anfang 1944 beim Rektor Anträge auf die (Weiter-)Verwendung mehrerer "Mischlinge Ersten Grades". Zwei von ihnen sollten als technische Angestellte weiterbeschäftigt werden,51 Dr. Luitgard Görnhardt (die nach dem Krieg ebenfalls eine Stellungnahme für Hüttel abgab)52, Dr. Christian Rosenthal und S als wissenschaftliche Hilfskräfte. Dadurch sah sich Rektor Wüst veranlaßt, im Beisein des Syndikus mit Wieland ein klares Wort zu sprechen:

"Ich eröffnete Herrn Geheimrat Wieland, daß angesichts dieser Tatsache [Verhaftung Leipelt, Anklage gegen mehrere Studenten des Chemischen Labors, etc.] die beantragte Beschäftigung von Mischlingen am Chemischen Laboratorium nicht ohne weiteres genehmigt werden könne. Herr Geheimrat Wieland betonte hiegegen, daß er DE-Aufträge habe und daß er diese Aufträge nicht durchführen könne, wenn ihm diese Mitarbeiter genommen würden.53Ferner seien diese Mitarbeiter nicht aus Universitätsmitteln, sondern aus universitätsfremden Mitteln bezahlt. Außerdem müßte S eigentlich als Student geführt werden, der ein Stipendium erhalte. Dem hielten ich und der Herr Syndikus entgegen, daß S sein Studium abgeschlossen habe, und daß er deshalb nach der einschlägigen Entschließung des Ministeriums nicht länger an der Universität als Student belassen werden könne. Im übrigen setze die Verwendung jeder Arbeitskraft an der Universität die Genehmigung durch den Rektor voraus, gleichgültig, aus welchen Mitteln diese Kraft bezahlt werde. Wenn wirklich die Durchführung kriegswichtiger Forschungsaufträge die Verwendung von Mischlingen unumgänglich notwendig mache, so solle diese Stelle, die die Aufträge erteile, ihrerseits auch genehmigen, daß für die Durchführung der Aufträge diese Mischlinge eingesetzt werden. Ohne eine solche ausdrückliche schriftliche Erklärung könne die Genehmigung zur Verwendung dieser Mischlinge nicht in Aussicht gestellt werden. Herr Geheimrat Wieland erklärte, sich um die Beibringung einer solchen Erklärung bemühen zu wollen."54

Es ist unklar, ob Wieland dieses ohnehin vermutlich zum Scheitern verurteilte Unterfangen überhaupt in Angriff nahm. Jedenfalls waren keine sechs Wochen vergangen (in denen das Rektorat zweimal, am 7. und am 24. März, bei Wieland anfragte, ob er sich um die Erklärungen bemüht habe)55, als sich der Rektor erneut mit Wieland und diesmal auch Hüttel in einer solchen Angelegenheit beschäftigen mußte.56

Es begann damit, daß am 4. April 1944 das Arbeitsamt einen Doktoranden Hüttels, den Diplomchemiker H, zur Organisation Todt zwangsverpflichtete.57 Am 5. April erhob Hüttel schriftlich bei der Industrie- und Handelskammer (Gauwirtschaftskammer) und beim Syndikus der Universität München (wobei H den Brief persönlich noch am gleichen Tag übergab) "schärfsten Einspruch" gegen diese Dienstverpflichtung. H sei von der Firma Schülke & Mayr A.G. Hamburg angestellt und arbeite unter Leitung Hüttels an kriegswichtigen Forschungen für diese Firma. (Man erinnere sich, daß Hüttel selbst einige Jahre zuvor für diese Firma und Gerhard Endres gearbeitet hatte.)

Am gleichen Tag rief auch ein Referent der Gauwirtschaftskammer beim Syndikus an, um über diesen "Einspruch" zu berichten und sich nähere Auskünfte zu holen, ob denn bekannt sei, daß H "Halbjude" sei, und wieweit Hüttel überhaupt zu einem solchen "Einspruch" berechtigt sei. Bereits am nächsten Vormittag mußte Wieland beim Rektor erscheinen, um sich einige unangenehme Vorwürfe anzuhören.

"Der Herr Rektor erinnerte an die wiederholten Besprechungen, die er in Gegenwart des Syndikus mit Herrn Geheimrat Wieland geführt habe wegen der Beschäftigung von Mischlingen überhaupt und wegen der Beschäftigung von Personen im Universitätsbereich ohne Bezahlung oder gegen Bezahlung von dritter Seite. [...] Weiter erinnerte der Herr Rektor daran, daß die Vorstände der Universitäts-Institute unlängst auf Aufforderung des Ministeriums zu erklären hatten, welche Mischlinge in ihrem Bereich verwendet werden, auch wenn die Verwendung in der eben angeführten Rechtsform geschehe. Bei dieser Erhebung habe das Chemische Laboratorium H nicht gemeldet. Herr Geheimrat Wieland erklärte dazu, H sei Student und sei als Student ausdrücklich noch für dieses Semester zugelassen. Im Januar habe er sein Diplom gemacht und für die kurze Übergangszeit bis zum Schluß des Semesters werde er noch im Institut beschäftigt. Wenn er dem Rektor nicht zur Genehmigung gemeldet worden sei, so sei das ein Versehen. Aber auch habe er als Institutsleiter andere Aufgaben, als sich nur um diese Dinge zu kümmern. Demgegenüber wird Herrn Geheimrat Wieland entgegengehalten, daß nun in der Einspruchserklärung gegenüber dem Gauwirtschaftsamt vom 5.4.44 H ausdrücklich für die kommende Zeit als Mitarbeiter im Institut in Anspruch genommen werde.58 Dr. Hüttel habe den ausdrücklichen Vorschriften zuwider gehandelt und seine Befugnisse weit überschritten.59 Dazu erklärte Geheimrat Wieland, Dr. Hüttel habe den Brief an die Gauwirtschaftskammer mit seinem Wissen und seinem Einverständnis geschrieben. [...] In dieser Handlungsweise könne er (der Rektor) nur eine ausgesprochene Illoyalität erblicken. Er müsse sich vorbehalten hiewegen weitere Schritte zu ergreifen."

Am 14. April wurde auch Hüttel zum Rektor gerufen:

"Er erklärte auf Befragen folgendes: H habe seit etwa November - Dezember 1943 einen Forschungsauftrag. Bezahlt werde er von der Firma Schülke & Mayr, und zwar überweise die Firma den Betrag hierfür in Höhe von 250,- RM monatlich unmittelbar an H. Der Leiter des Forschungsbetriebes bei der genannten Firma sei Dozent (an der Universität Hamburg) Dr. Endres, ein früherer Schüler des Münchener Laboratoriums. Mit diesem habe er (Hüttel) die Verhandlungen wegen Übertragung dieses Forschungsauftrages an H geführt und zwar aus eigener Initiative. Doch habe er, soweit er sich erinnere, unmittelbar nach Abschluß der Verhandlungen Herrn Geheimrat Wieland hievon benachrichtigt (glaublich etwa November - Dezember 1943). Die Frage des Rektors, ob allen Angehörigen des Instituts bekanntgegeben worden sei, daß keine Hilfskraft ohne ausdrückliche Genehmigung des Rektors eingestellt werden dürfe, verneinte Dr. Hüttel. Er betonte aber, es sei für alle Institutsangehörigen eine Selbstverständlichkeit gewesen, von allen Personal-Verhandlungen Herrn Geheimrat Wieland Kenntnis zu geben. Auf Befragen erklärte Dr. Hüttel, es sei ihm bekannt gewesen, daß H Mischling I. Grades sei. Weiter erklärte er, er habe gewußt, daß das Reichsministerium H zum Studium ausdrücklich nur bis zum frühestmöglichen Abschluß seines Studiums zugelassen habe. (Sein Studium hat H im Februar mit der Diplomprüfung abgeschlossen). Schließlich erklärte Dr. Hüttel auf Befragen noch, er habe seinen in Abschrift vorliegenden Antrag an die Gauwirtschaftskammer vom 5.4.44 mit Wissen und Billigung des Herrn Geheimrat Wielands geschrieben."

Ob nun dem Rektor endgültig der Kragen platzte, oder ob ihm Hüttels Einschaltung einer auswärtigen Stelle, eben des Gauwirtschaftsamtes, eine universitätsinterne Lösung nicht mehr ratsam erscheinen ließ, ist unklar. Jedenfalls sandte er am gleichen Tag ein Schreiben an das Bayerische Kultusministerium mit der Bitte, das Verhalten Wielands und Hüttels "dienstaufsichtlich zu würdigen".

Aber Wieland und Hüttel hatten noch einmal Glück. Der zuständige Ministerialrat Siegfried von Jan (von den Amerikanern später als "routine party member only" gekennzeichnet)60, antwortete dem Rektor am 3. Mai 1944 folgendermaßen:

"Bei der Regelung des Beschäftigungsverhältnisses des Mischling 1. Grades H als Hilfskraft für das Chemische Universitäts Laboratorium sind zweifellos Mißgriffe unterlaufen, die vermieden hätten werden können, wenn der Leiter des Instituts den mündlichen Weisungen und schriftlichen Verfügungen des Rektorats entsprechend Rechnung getragen hätte. Im besonderen ist die eigenmächtig ohne vorherige Benachrichtigung und Genehmigung des Rektors erfolgte Einstellung des H zu beanstanden und das in der ganzen Angelegenheit gezeigte Verhalten des Geh. Regierungsrates o. Professors Dr. Heinrich Wieland und des Dozenten Dr. Rudolf Hüttel nachdrücklich zu mißbilligen. Von einem dienststrafrechtlichen Einschreiten will ausnahmsweise für dieses Mal abgesehen werden. Ich ersuche jedoch, die Vorgenannten mit der Veranlassung zu verständigen, künftighin ‒ nicht zuletzt auch im Interesse einer reibungslosen Zusammenarbeit mit dem Rektor ‒ die ergangenen Anordnungen genauestens zu beachten."

Mit Datum vom 8. Mai erhielt Wieland eine Abschrift dieses Schreibens vom Rektor mit dem Ersuchen, den Inhalt auch Hüttel bekannt zu machen. Vermutlich war es dieses Schreiben, von dem berichtet wird, daß Wieland es in den Müllkorb warf.61 H wurde weiterhin von Hüttel betreut, allerdings nicht am Chemischen Labor, das ohnehin im Herbst den Fliegerangriffen zum Opfer fiel, kam dann im November 1944 in ein Zwangsarbeitslager, und promovierte nach dem Krieg am Chemischen Labor.62

Offenbar unberührt davon genehmigte Wüst am 13. Mai 1944 auf Antrag Wielands neun Studentinnen und einem Studenten, die an sich die reguläre Studiendauer überzogen hatten, die Fortsetzung des Chemiestudiums.63

All dies hinderte jedoch auch weder Wieland noch Hüttel daran, sich für dem Regime nicht genehme Personen, vor allem eben "Halbjuden", weiterhin einzusetzen. So berichtete nach dem Krieg die "Halbjüdin" G in einer Eidesstattlichen Erklärung:

"Seit Herbst 1940 arbeitete ich im Laboratorium von Herrn Dr. Hüttel und seit 1942 gehörte ich zu seinen engsten Mitarbeitern. Während all dieser Jahre traute sich Dr. Hüttel seine antinazistische und antimilitaristische Gesinnung offen gegen jedermann zu bekennen und alle Studenten, die durch die Nürnberger Gesetze betroffen waren, stets mit Rat und Tat zu unterstützen. [...] Sein Verhalten gegen seine Untergebenen war stets unparteiisch und gerecht, ganz gleich, ob es sich um 'vollwertige Deutsche', Halbjuden oder Ausländer handelte. Als ich im Herbst 1944 plötzlich von meiner Doktorarbeit weggerissen werden sollte, um mit anderen Leidensgenossinnen Strassenbahnwagen zu reinigen, setzte es Dr. Hüttel nach vielen Bemühungen durch, dass ich wenigstens meine Arbeit beendigen konnte. Er versuchte auch bei vielen Firmen mich durch eine anderweitige Anstellung vor dieser Degradierung zu bewahren.64

Besonders erwähnenswert erscheint G heute, daß es Hüttel gelang, über seine persönlichen Beziehungen ihr Unterschlupf ausgerechnet in der Adolf-Hitler-Schule in Feldafing zu vermitteln.

"Halbjuden" am Chemischen Laboratorium

Nun stellt sich die Frage, wieviele "Halbjuden" eigentlich am Chemischen Labor studierten oder arbeiteten und wieweit sie dies "illegal" taten, wie in der Literatur gelegentlich festgestellt wird.65 Beides kann hier nicht endgültig beantwortet werden, da die Quellen dies nicht zulassen. Für 1943 liegt zum einen die von Wüst genannte Zahl von 16 mit Genehmigung studierenden "Halbjuden" vor, zum anderen eine vermutlich aus diesem Jahr stammende, mit Bleistift geschriebene Liste im Deckel der Studentenverzeichnisse für 1943/1944, die ebenfalls 16 Namen umfaßt, jedoch aufgrund der Geschlechterzusammensetzung und einiger weiterer Merkmale nicht identisch mit den Angaben des Rektors sein kann.66 Meiner Schätzung nach dürften 1943 ca. 25 "Halbjuden" am Chemischen Labor als Studenten, Doktoranden, technische Assistenten, Laboranten oder "Gäste"67 tätig gewesen sein.

1944 ergibt sich ein anderes Bild. Eine Statistik vom Mai 1944 weist für die Universität München nur mehr drei "Mischlinge Ersten Grades" als Studenten aus,68 im Studentenverzeichnis der organischen Abteilungen des Chemischen Labors für das Sommersemester 1944 allein finden sich hingegen mindestens vier solche Studenten.69 Insgesamt lichteten jedoch die Verhaftungen im Zusammenhang mit Leipelt und die zunehmende "Zwangsdienstverpflichtung" die Reihen erheblich, bis mit der Zerstörung des Instituts und einer Anordnung Himmlers im Herbst 1944, praktisch ausnahmslos alle männlichen "Mischlinge Ersten Grades" zur "Organisation Todt" und alle weiblichen zum Arbeitsdienst einzuziehen,70 dort überhaupt kein Schutz mehr geboten werden konnte. Ein Studium zu beginnen war für "Halbjuden" zu dieser Zeit ohnehin praktisch unmöglich.

Wie es um die "Legalität" des Studiums bestellt war, ist pauschal nicht zu beantworten, da man im Grunde jeden Fall einzeln prüfen müßte, was durch die schlechte Aktenlage, den Persönlichkeitsschutz und den relativ großen zeitlichen Abstand, der manche Erinnerung trübt, verhindert wird. Nimmt man wiederum die vom Rektor genannte Zahl von 16 mit Genehmigung studierenden "Halbjuden", so kann man relativ zuversichtlich schließen, daß die Mehrzahl der "Betroffenen" zu diesem Zeitpunkt nicht "illegal" studierte. Andererseits studierte mindestens ein Teil derselben vorher eine Zeit lang ohne Genehmigung und damit Immatrikulation, also "illegal", da selbst das Ausstellen einer vorläufigen Genehmigung, die ja vom Reichswissenschaftsministerium in Berlin erteilt werden mußte, Zeit in Anspruch nahm. So dauerte es bei Valentin Freise und einigen anderen eineinhalb Semester (August 1941 bis Juni 1942), bis die Genehmigung erteilt wurde; in dieser Zeit legte er jedoch sein Diplomvorexamen ab, denn Wieland war der Meinung, daß die Immatrikulation nicht für das Ablegen des Examens nötig sei. Diese Gruppe von Personen wurde als "Gäste des Geheimrats" geführt, damit die dennoch notwendigen Laborersatzgelder verbucht werden konnten.71 Und Hüttel spielte als Praktikums-Assistent bereits damals eine positive Rolle.72

Kompliziert war die Lage auch nach dem Diplomexamen. Erst dann begann man mit der Diplomarbeit, galt man aber noch als Student? Die Genehmigung lief üblicherweise bis zum Abschluß des Studiums, eine Verlängerung war nur in ganz besonderen Ausnahmefällen möglich. Im November 1944 beschwerte sich Wieland bei Wüst, daß Studenten nach ihrer Diplomprüfung sofort an das Arbeitsamt gemeldet und von dort zum Arbeitseinsatz herangezogen würden. Wenige Tage später erklärte Wüst, daß dies auf einem Erlaß des Reichsministers beruhe, daß man aber den Sachbearbeiter informieren solle, daß ja noch die Diplomarbeit anstehe und daher ein Arbeitseinsatz zu vermeiden sei.73 Offenbar war man vorher (grundsätzlich?) bereit gewesen, das Studium mit der Ausfertigung des Diploms nach der Ablieferung der Diplomarbeit als beendet anzusehen.

Es gab aber auch mindestens einen Fall eines von Anfang an "illegalen" Studiums: Georg Sorge hatte aufgrund seiner Abstammung keine Genehmigung erhalten, studierte dennoch, legte sein Vordiplom ab und war auch regulär in die Studentenverzeichnisse des Chemischen Labors eingetragen.74 Im Grunde ein Triumph Wielands (und auch seiner Sekretärin Christine Rieger), aber in diesem Ausmaß auch die große Ausnahme.75

Völlig verwirrend ist die Situation bei den Doktoranden. G erklärt, sie hätte zu keinem Zeitpunkt eine Genehmigung für ihr Studium benötigt (sie hatte es allerdings bereits vor Kriegsausbruch aufgenommen, während die entsprechenden Regelungen erst später aufgestellt wurden), ihre Doktorarbeit sei aber gefährdet gewesen, da sie an einer Vorlesung Kurt Hubers teilgenommen hatte.76 Bei S liegt ein Schreiben des Dekans der Naturwissenschaftlichen Fakultät vom 7. Juni 1944 vor, in dem er mitteilt, daß der Reichswissenschaftsminister "ganz ausnahmsweise" die Promotion genehmigt habe.77 Hildegard Hamm-Brücher schreibt in ihren Memoiren, daß sie nach den Ereignissen um die "Weiße Rose" exmatrikuliert worden sei, erwähnt aber, daß sie im März 1945 die vom Rektor (nicht Dekan, wie sie schreibt) Wüst unterzeichnete Promotionsurkunde ausgehändigt bekam.78

Unklar ist die Situation auch bei den "halbjüdischen" Angestellten und "Gästen". Es scheint, daß Wieland ihre Beschäftigung im Labor nicht, verspätet oder nur teilweise dem Rektor bzw. den Geldgebern meldete. Möglicherweise gelang es ihm auch einige Zeit, Universität und Geldgeber gegeneinander "auszuspielen", indem er erklärte, die jeweils andere Institution hätte ihr Einverständnis gegeben. Dem Rektor war der Sachverhalt, wenngleich vielleicht nicht das Ausmaß, offenbar bekannt; aber erst nach dem Fall Leipelt, als Stellen außerhalb der Universität sich für das Chemische Labor zu interessieren begannen, scheint er eine konsequentere Gangart eingeschlagen zu haben, die schließlich z.B. zur Entlassung Ts führte. Auch der Fall H mag hierzu beigetragen haben.

Die Frage, wie es Wieland gelang, eine so große Anzahl von "Halbjuden" am Chemischen Labor studieren oder arbeiten zu lassen, beschäftigt(e) wohl jeden der damals "Betroffenen". Eine verbreitete Annahme besagt, daß sein wissenschaftlicher Rang, besonders sein Nobelpreis, ihn schützte. Wichtiger erscheint mir aber, daß er einer der bekanntesten Vertreter eines kriegswichtigen Faches war, dessen zahlreiche Beziehungen gerade auch in die Industrie ihm eine gewisse "Immunität" sicherten. Am Chemischen Labor fand er viel Unterstützung, und selbst die, die politisch anderer Ansicht waren, behinderten ihn üblicherweise nicht. Universitätsintern verstieß Wieland vor allem gegen Meldebestimmungen, was Rektor Wüst jedoch offenbar bis zu einem gewissen Grad zu dulden bereit war.79 Bei den externen Geldgebern dürfte Wieland ebenfalls genügend Kontakte gehabt haben, um sich einigermaßen abzusichern; im Bayerischen Kultusministerium war man ihm offenbar ebenfalls nicht feindlich gesonnen. In diesem Milieu konnte er mit Geschick und "Chuzpe" vieles erreichen, jedenfalls solange keine klaren Anweisungen auf höchster Ebene in Sachen "Halbjuden" existierten. Denn keinesfalls sollte man unterschätzen, daß die Politik gegenüber "Halbjuden" eben einen nicht unbeträchtlichen Spielraum zuließ,80 den er mit diversen "Mauscheleien" noch auszudehnen sich bemühte.

Probleme entstanden, wenn sich externe Stellen wie das Arbeitsamt oder die "Organisation Todt" mit klaren Vorgaben einschalteten. In solchen Fällen konnten Wieland oder Hüttel dann nur noch gelegentlich helfen bzw. mildernd einwirken.

Gefährlich waren diese Aktionen, im Nachhinein betrachtet, wohl weniger als damals empfunden; was nichts daran ändert, daß sie Mut erforderten ‒ und von hoher Bedeutung für die Studenten, "Gäste", etc. waren. Es hätte schon erheblicher Anstrengungen bedurft, einem Mann wie Wieland aus eher verwaltungstechnischen Versäumnissen wie der Unterlassung einer Meldung an den Rektor einen Strick zu drehen81 (bei Hüttel hätte es allerdings Folgen für die weitere Karriere haben können). Schließlich studierten an der TH München noch im Mai 1944 "legal" 13 "Halbjuden" und zur selben Zeit erhielt S die Genehmigung des Reichsministers zur Promotion. Die Lage der "Halbjuden" war alles andere als akzeptabel und die Aussichten waren trübe, aber noch wurden sie nicht wie "Volljuden" behandelt und Hilfe für sie war selbst 1944 von der Gefahr her nicht mit Hilfe für "Volljuden" vergleichbar.

Anders sieht es beim Einsatz für die im Fall Leipelt inhaftierten Studenten aus. Hier ging es nicht um den zweifelhaften Status als "Halbjuden", sondern um politischen Widerstand ‒ und wer sich für solche Leute derart engagierte, begab sich tatsächlich in beträchtliche Gefahr. Zusammen mit dem auch nach diesen Vorfällen fortgesetzten Engagement für ihre Studenten belegt dies die außerordentlichen menschlichen Qualitäten Wielands und Hüttels.

Bleibt noch die Frage nach dem "Warum". Mirjam Davids Feststellung, daß er sich als Mensch und Gegner des Nationalsozialismus dazu bewogen fühlte, gibt für Hüttel ‒ und Wieland ‒ in erster Näherung eine Erklärung, obwohl natürlich Fragen offen bleiben.82

Wieland und der Neuanfang

Das Kriegsende mag für Hüttel eine Erleichterung gewesen sein, markierte indes auch den Beginn einer ungewissen Zeit. Sein Vertrag als Assistent lief an sich nur bis drei Monate nach Kriegsende, wurde dann jedoch jederzeit widerruflich bis auf Weiteres verlängert.83 Wissenschaftliche Arbeit war mit der Zerstörung des Chemischen Labors, der Auslagerung an verschiedene Orte und der generellen Lage bereits seit Herbst 1944 im Grunde unmöglich gemacht und zudem durch die Amerikaner vorerst verboten. Immerhin gelang es Hüttel, den größten Teil der Institutsbibliothek über diese Zeit zu retten, zum Teil dank seiner Beziehungen, als er z.B. die Bibliothek im Institut für Lebensmittelforschung im Kapuzinerhölzl in München aufstellte, dessen Leiterin eine der "Betroffenen" in seinem Saal III gewesen war.84

Überhaupt erschien die Situation für die Münchner Chemiker recht trostlos. Noch vor Kriegsende, am 31. März 1945 hatte sich Hans Fischer angesichts seines zerstörten Laboratoriums und wohl auch des zerstörten Deutschlands das Leben genommen.85 Am 14. Oktober 1945 folgten ihm der schwerkranke und durch die Besatzungsmacht aus der Wohnung vertriebene Otto Hönigschmid und dessen Frau in den Tod.86 Mit allen war Wieland eng befreundet gewesen.

Wieland selbst war nach Kriegsende für fünf Monate aus seinem Haus in Starnberg verbannt und stand danach noch bis Februar 1946 mehr oder weniger unter Hausarrest (allerdings nur tagsüber in seinem Haus, da noch immer Amerikaner einquartiert waren; die Nächte mußte er im Nachbarhaus, in dem seine Tochter Eva und sein Schwiegersohn Feodor Lynen wohnten, verbringen), ohne daß dies je schlüssig erklärt wurde.87 Es ist wenig verwunderlich, daß Wieland ob dieser Behandlung an der Befreiung weniger Freude hatte, als man angesichts der politischen Einstellung annehmen möchte.

Aber auch nach Aufhebung des Hausarrestes ("Ich fühle mich darob wie ein junger Gott")88 und der Mitteilung durch das Bayerische Kultusministerium am 21. Februar 1946, daß die Militärregierung seine weitere Tätigkeit als Professor genehmigt habe,89 blieben Sorgen bzw. kamen neue hinzu. Mit der Eröffnung der Universität sowie speziell der Naturwissenschaftlichen Fakultät mußten Räumlichkeiten gefunden werden und Personal. Einige Jahre lang behalf man sich bei ersterem mit Räumen im Zoologischen Institut, was allerdings zu umfangreichen und unerfreulichen Schriftwechseln führte, da man sich über die Zuteilung schwer einigen konnte. Und der "Entlausungsarbeit"90, sprich Entnazifizierung, fielen von elf Professoren und Dozenten der Chemie (ohne Clusius und die Lebensmittelchemiker) sechs zum Opfer ‒ Friedrich Klages, Hüttel, Robert Purrmann, Erich Schmidt, Egon Wiberg und Franz Wille; es blieben Alfred Bertho, Elisabeth Dane, Ludwig Kalb, Feodor Lynen und Wieland ‒, von denen aber im Laufe der nächsten Jahre alle bis auf Purrmann, der inzwischen einen Pharmabetrieb gegründet hatte, an die Universität zurückkehrten.91

Was die Forschung betraf, sah die Lage für Wieland in den ersten Jahren ebenfalls wenig rosig aus: "Ich bin seit mehreren Jahren reiner Theoretiker geworden und finde diesen Abschluss meines Lebens gar nicht schön".92 Zwar begann man auch wieder mit experimentellen Arbeiten, vor allem für die Ausbildung der Studenten, nachdem die Naturwissenschaftliche Fakultät theoretisch am 1. April 1946 wiedereröffnet worden war,93 aber der Mangel an Chemikalien, an Geräten und Räumlichkeiten galt für alle.94 Allen äußeren Widrigkeiten und deprimierenden Erfahrungen jener Jahre, z.B. auch mit dem Kultusministerium, das nicht immer so wollte wie Wieland (der gelegentlich mit seinem Emeritierungsgesuch drohte, eigentlich aber seinem Nachfolger ein funktionierendes Institut übergeben wollte) oder wie die Naturwissenschaftliche Fakultät und vor allem ihr Dekan Clusius, was letzteren veranlaßte, 1947 "bei Nacht und Nebel" Deutschland Richtung Schweiz zu verlassen, ‒ all dem zum Trotz, einen Rest Humor bewahrte sich Wieland durchaus. Als ihm ein früherer Schüler, der inzwischen bei den Farbwerken Höchst arbeitete, im Oktober 1946 eine Probe des Fliegenvernichtungsmittels "Gix" zukommen ließ, bedankte sich Wieland, meinte aber: "Ich konnte das Mittel noch nicht ausprobieren, da die Fliegen in meiner ungeheizten Wohnung ohnehin schon ebenso sehr leiden, wie ich selber".95

"Entnazifizierung" Hüttels

In einer ähnlich zwiespältigen Stimmung dürfte sich Hüttel befunden haben. Am 20. November 1945 entschied die amerikanische Militärregierung, daß er, wie eine große Anzahl anderer Mitglieder der Universität, aufgrund seiner Parteimitgliedschaft zu entlassen sei.96 Diese Mitteilung machte das Kultusministerium am 6. Dezember 1945 dem Rektor (womit die am 1. Dezember erfolgte Verlängerung der Anstellung Hüttels als wissenschaftlicher Assistent obsolet wurde), der Rektor wiederum teilte es am 6. Januar 1946 Wieland als Direktor des Chemischen Labors mit.97

Am 13. Februar 1946 stellte Hüttel den Antrag auf Einleitung des Vorstellungsverfahrens beim Wirtschaftsbereinigungsamt München, um die mit der Entlassung durch die Militärregierung verbundene Beschäftigungssperre gegen ihn aufzuheben, da er im Werk Gersthofen der IG-Farben eine Anstellung finden konnte.98 Dem Antrag legte Hüttel die bereits erwähnten Eidesstattlichen Erklärungen seiner Frau, Wielands, Freises, Gs, Hs, Davids, Sorges, Görnhardts und Franz Zorells (s.u.), außerdem einen Großen Fragebogen und eine Erklärung zu den Mitgliedschaften in der NSDAP und der SA bei. Am 20. März wurde vom Prüfungsausschuß des Wirtschaftsbereinigungsamtes ein Vorbericht erstellt, der zu dem Schluß kam:

"Nach den gegebenen Unterlagen [d.h., den von Hüttel beigebrachten Dokumenten] war der Antragsteller aber in keiner Weise mit den Zielen des Nationalsozialismus einverstanden, sondern hat sich, wie durch die Zeugen [d.h., deren schriftliche Erklärungen] glaubhaft belegt wird, tatkräftig gegen den Nationalsozialismus gestellt und mehreren rassisch Verfolgten Hilfe zukommen lassen. Er hat dies ohne Rücksicht auf seine eigene Person getan und durch diese tatsächliche Einstellung dürfte die Schuld seiner zwangsläufigen Zugehörigkeit in den Parteiorganisationen wesentlich gemildert werden. Auf Grund der aktiven Kampfführung gegen die NSDAP, die der Antragsteller durch die glaubwürdigen Zeugen nachgewiesen hat, dürfte er in der deutschen Wirtschaft in leitender Stellung tätig sein. Da Hüttel keine politische Aktivität, sondern nur politische Gegnerschaft bewiesen werden kann, dürfte dem Gesuch stattzugeben sein."

Am 25. März 1946 schloß sich der Prüfungsausschuß dieser Meinung "im wesentlichen" an und hielt daher Hüttel mit 4 zu 1 Stimmen für beschäftigungswürdig. Den endgültigen Entscheid traf dann die amerikanische Militärregierung am 5. April 1946 mit der Aufhebung des Beschäftigungsverbots gegen Hüttel, so daß dieser ab 1. Mai 1946 als Chemiker bei der (späteren) Lech-Chemie in Gersthofen tätig werden konnte.99

Damit war aber die "Entnazifizierung" keineswegs erledigt. Hüttel, der mit Antritt der Stelle von Iffeldorf im Kreis Weilheim nach Gersthofen gezogen war, mußte nun noch das Spruchkammerverfahren durchlaufen. Am 3. August 1946 bat ein Mitarbeiter des Werks Gersthofen der "I.G.Farbenindustrie Aktiengesellschaft (In dissolution ‒ In Auflösung)" bei der Spruchkammer Augsburg-Land um beschleunigte Entscheidung im Fall Hüttel, da eine Entlassung Hüttels den Betrieb "störend beeinflussen" würde. Daraufhin forderte die Spruchkammer Augsburg-Land am 9. August bei der Spruchkammer Weilheim den Meldebogen Hüttels, der aufgrund des früheren Wohnsitzes Hüttels in Iffeldorf dorthin gelangt war. Am 21. September 1946 wurde der Meldebogen übersandt, in der Folge holte die Spruchkammer Augsburg-Land bei verschiedenen Stellen in München, Iffeldorf und Gersthofen großenteils recht dürftige Auskünfte ein. Anhand dieser Unterlagen beantragte der öffentliche Kläger der Spruchkammer Augsburg-Land in Göggingen am 30. Oktober 1946, Hüttel in die Gruppe IV der Mitläufer einzustufen, da er zwar Mitglied der NSDAP etc. gewesen war, sich aber "in keiner Weise aktiv oder werbend für die Ziele des Nat.Soz. betätigt" hatte. Im schriftlichen Verfahren entschied die Spruchkammer Augsburg-Land am 8. November 1946 entsprechend und setzte eine Geldsühne von RM 800 (das Maximum waren RM 2000; der Durchschnitt lag unter RM 700)100, sowie Kosten von RM 320 fest; letztere wurden am 16. November auf RM 165 ermäßigt (sie berechneten sich nach einem Prozentsatz des Streitwertes, in diesem Fall das höchste Einkommen des Betroffenen vor 1945). Hüttel zahlte, die Militärregierung erkannte das Urteil am 15. Januar 1947 an ‒ und abgesehen von einem kurzen Briefwechsel mit der Spruchkammer 1948, als diese bei einer oberflächlichen Nachprüfung übersah, daß die Kosten niedriger angesetzt worden waren, war für Hüttel die Angelegenheit erledigt. Bereits am 29. Dezember 1946 hatte er an Wieland geschrieben: "Ich habe den Sühnebescheid angenommen, ohne auf einer Verhandlung zu bestehen, weil ich endlich den ganzen schmutzigen Kram los sein wollte."101

Tatsächlich hätte Hüttel möglicherweise, wie Erich Schmidt, sogar in die Gruppe V der Entlasteten eingestuft werden können und so die Geldsühne und die Kosten sparen können, hätte er der Kammer jene Unterlagen zur Verfügung gestellt, die er beim Wirtschaftsbereinigungsamt eingereicht hatte. Diese waren nämlich auf dem Umweg über Weilheim erst am 23. Januar 1947 bei der Spruchkammer Augsburg-Land eingetroffen, in dem Verfahren also gar nicht berücksichtigt worden!

Erneute Aufnahme in den Staatsdienst und weitere Laufbahn

Daneben liefen, in veränderlicher Intensität, Bemühungen Hüttels und Wielands um seine Rückkehr an die Universität München. Bereits am 13. März 1946 hatte Wieland einen Antrag auf Wiedereinsetzung Hüttels gestellt, der jedoch trotz der beigelegten und bereits in anderem Zusammenhang erwähnten Eidesstattlichen Erklärungen aufgrund der damaligen Rechtsunsicherheit im Grunde scheitern mußte.102 Zu diesem Zeitpunkt erschien Wieland die gerade eingerichtete "Arbeitsbaracke" in Weilheim der einzige Weg, die praktische Ausbildung der Chemiestudenten wieder aufzunehmen, wozu er jedoch auch Hüttel zu benötigen vorgab, dessen Rehabilitierung ihm überdies am sichersten erschien, "da Dr. Hüttel meine Bestrebungen, jüdische und halbjüdische Studenten trotz der entgegenstehenden Vorschriften weiterstudieren zu lassen, aufs nachhaltigste, mehrfach unter schwerer Gefährdung seiner eigenen Existenz, unterstützt hat".103

Am 1. August 1946 teilte das Kultusministerium Hüttel (und vielen anderen) mit, daß die Entlassung endgültig sei.104 Die Vorgänge an der Universität München im November des Jahres 1946 (Entlassung von 34 Hochschullehrern, da sie den Anforderungen der Militärregierung "in Hinblick auf die verlangten positiven politischen liberalen und sittlichen Eigenschaften" nicht entsprächen)105 ließen ihn zusätzlich zweifeln, ob eine Rückkehr an die Universität möglich sei.106 Nachdem Wieland am 3. Januar 1947 Hüttel noch von der Einleitung etwaiger Schritte wegen der "dicken Luft" an der Universität abgeraten hatte,107 schrieb er am 20. März 1947, daß eine Wiedereinstellung vielleicht möglich sei.108 (Als "Mitläufer" hatte Hüttel keinen automatischen Anspruch, eine Einstufung als "Entlasteter" hätte ihm gewisse Vorteile gebracht.)

Aber erst am 4. Oktober 1947 reichte Hüttel, nachdem er sich von Wieland die entsprechende Ermutigung geholt hatte,109 ein Gesuch um Wiedererteilung der Lehrbefugnis ein.110 Wieland leistete am 13. Oktober die Garantieerklärung für Hüttel, doch wurde sein Gesuch nicht vorrangig bearbeitet, da er nicht gleich an das Labor zurückkehren sollte und Wieland deshalb die Rehabilitierung anderer früherer Mitglieder vor allem der völlig unterbesetzten anorganischen Abteilung, wie Franz Wille, dringlicher betreiben wollte.111 Allerdings betonte Hüttel am 14. März 1948, daß er bei allem Verständnis aufgrund der "Einfachheit" seines Falles und vor allem der "Legalisierung" seiner weitergehenden Betreuung von Doktoranden in München doch eine baldige Erledigung wünsche.112 Darauf wurde in der Fakultätssitzung vom 14. April 1948 Hüttels Gesuch behandelt und positiv aufgenommen,113 am 11. Mai 1948 leitete der Dekan das Gesuch an das Rektorat weiter, der Rektor leistete am 14. Mai die vorgeschriebene Garantieerklärung ("Herr Dr. Hüttel besitzt die positiven politischen, liberalen und moralischen Eigenschaften, die zur Entwicklung der Demokratie in Deutschland beitragen") und am 9. Juni 1948 erteilte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus Hüttel wieder die Lehrbefugnis für Chemie in der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München. Allerdings wurde Hüttel aus "grundsätzlichen Erwägungen" noch nicht wieder zum Privatdozenten ernannt, dafür war zu diesem Zeitpunkt eine sechsmonatige Probezeit vorgesehen.114

Bei dieser Probezeit handelte es sich allerdings in aller Regel um eine reine Formsache, so auch im Fall Hüttel. Am 6. Dezember 1948 stellte der Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät den Antrag, Hüttel wieder zum Privatdozenten zu ernennen; diesem Antrag kam das Kultusministerium am 18. Januar 1949 nach, womit Hüttel auch Beamter auf Widerruf wurde.115

1949 veränderten sich für Hüttel die Verhältnisse in Gersthofen aus "mehr oder minder persönlichen Gründen" soweit zum schlechteren, daß er eine Veränderung ernsthaft anstrebte. Doch erwies es sich durchaus als Problem, daß er wichtige Jahre nicht an der Universität tätig gewesen war. "Für die Hochschul-Laufbahn habe ich den Anschluss nun wohl schon verpasst, doch halte ich mich für durchaus fähig, vielleicht in einer Übergangszeit als Technologe zu lesen und meinen wissenschaftlichen Ruf in dieser Zeit wieder aufzubessern."116

Wieland verstand den Wink sehr wohl, so daß Hüttel am 16. September 1950 als wissenschaftlicher Assistent die Nachfolge Ludwig Kalbs als Vertreter der Chemischen Technologie antrat117 und am 27. Juni 1951 zum Oberassistenten ernannt wurde. Am 9. Februar 1953 erhielt er die Amtsbezeichnung eines außerplanmäßigen Professors (ohne Bezüge) und nahm vom Sommersemester 1953 bis zum Wintersemester 1955/56 nebenamtlich einen Lehrauftrag für Organische Chemie und Chemische Technologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Regensburg wahr. Zum 1. Januar 1959 wurde er außerplanmäßiger Professor (mit Bezügen), von 1966 bis zu seiner Pensionierung am 31. Oktober 1976 war er Abteilungsvorstand (Chemische Technologie) und Professor.

Zu seinem 80. Geburtstag 1992 verfaßte sein Kollege Rudolf Gompper folgende Würdigung:118

"Die in 60 Publikationen niedergelegten wissenschaftlichen Arbeiten von Rudolf Hüttel lassen sich in drei Abschnitte einteilen. Am Anfang (1936-1943) standen Naturstoffe; Untersuchungen über Krötengifte (zusammen mit H. Wieland und G. Hesse) und das Vorkommen von Pflanzensterinen in Krötenhaut (mit H. Behringer) sowie über Ichthiopterin, einen blau fluoreszierenden Stoff aus Fischhaut. Aber auch die Stickstoffbindung durch Bodenbakterien und der Schreckstoff aus Elritzenhaut wurden studiert.
Es schlossen sich dann ab 1947, aufbauend auf Arbeiten früherer Jahre über Malonaldehyd und Propargylaldehyd, Untersuchungen über Verbindungen der Azol-Reihe (Pyrazole, Triazole) an. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß die von R. Hüttel synthetisierten Di- und Tri-pyrazol-carbinole sich als Vorläufer der heute so wichtigen antimykotisch wirksamen N-Triarylmethyl-azole auffassen lassen. Auch mit der Untersuchung der Hydrolyse und Aminolyse von Acylpyrazolen stand er am Anfang einer Entwicklung, nämlich der Chemie der für Acylierungen vielgenutzten N-Acyl-azole.
Von besonderer Bedeutung und unveränderter Aktualität sind Untersuchungen über Komplexe von Olefinen mit Palladiumchlorid und Gold(III)chlorid (ab 1961). R. Hüttel hat damit die Grundlagen für die Palladium-katalysierten Synthesen gelegt, die heute zu den wichtigsten Methoden der organischen Chemie gehören.
R. Hüttel hat sich tatkräftig für eine Neuorientierung und Vertiefung des Unterrichts in der chemisch-technologischen Abteilung des Instituts für Organische Chemie im Sinne einer stärkeren Berücksichtigung der physikalischen und ingenieurmäßigen Grundlagen des Faches eingesetzt. Unter dem Blickwinkel der Einheit von Forschung [und] Lehre ist zu erwähnen, daß in der chemisch-technologischen Abteilung auch industriell interessante Forschungsarbeiten durchgeführt wurden wie z.B. Chlorierungen sowie die Herstellung von Alkylhydroperoxiden und vernetzten Ethyleniminopolyester-Harzen. Die schon erwähnten Olefin-Palladium-Komplexe sind auch industriell von enormer Bedeutung.
R. Hüttel hat zahlreiche Schüler zum wissenschaftlichen Arbeiten angeleitet und sie mit den neuesten Untersuchungsmethoden vertraut gemacht. Er hat bedeutende Beiträge zum Fortschritt der organischen, vor allem der metallorganischen Synthese geliefert und sich große Verdienste um die Lehre erworben."

Ergänzend nennt sein Kollege Rolf Huisgen, daß Hüttel wohl als erster π-Allylkomplexe von Übergangsmetallen in Händen hatte. Zudem betont er Hüttels "glänzende didaktische Begabung" und seinen Einsatz im Praktikumsunterricht.119

Ansichten über Hüttels Verhalten

Es fällt auf, daß in der "offiziellen" Würdigung Hüttels Verhalten während des Krieges keine Erwähnung findet. Tatsächlich war es weitgehend unbekannt oder wurde etwas unglücklich dargestellt. So erzählte beispielsweise Gerda Freise, die jene Ereignisse miterlebte: "Er [Wieland] verlangte diese Haltung auch von einigen anderen. Zum Beispiel hat er Hüttel ins Wittelsbacher Palais zur Gestapo geschickt, um in Erfahrung zu bringen, ob [Valentin] Freise einen Anwalt hat."120

Mit einer derartigen Aussage wird jedoch meines Erachtens ein zentraler Punkt etwas kaschiert: Bei allem Vorbild, das Wieland war ‒ "Heinrich Wieland war die Vaterfigur und sein Andenken ist es auch heute noch", wie Hüttel wenige Monate vor seinem Tod schrieb121 ‒, und bei aller Rückendeckung durch ihn: Das Bestreben zu helfen mußte doch aus Hüttel selbst erwachsen. Daß dies der Fall war, zeigt neben den bereits zitierten Erklärungen und Bestätigungen von Zeitzeugen auch eine Eidesstattliche Erklärung, die nicht aus dem Bereich des Chemischen Labors stammt. Der "Oceanograph" Franz Zorell (einer der beiden Naturwissenschaftler, denen der Senat der Universität München 1936 den Doktorgrad wegen rechtskräftiger Verurteilung wegen "ehrenwürdiger Delikte" aberkannt hatte)122 hatte sich nach seiner Entlassung als politischer Gefangener 1939 in Iffeldorf niedergelassen und wollte wieder wissenschaftliche Forschungen aufnehmen, wobei ihm Hüttel bei der Beschaffung der chemischen Ausrüstung behilflich war. "In den darauffolgenden Jahren merkte ich, dass Dr. Hüttel in keiner Weise ein Nazi war und dass es ihm Freude machte, politisch Verfolgten zu helfen."123

Rudolf Hüttel war kein Widerstandskämpfer, er war auch kein Held, der "auszog, das Böse zu bekämpfen";124 der größte Teil seines Lebens scheint gut in das Cliché des "unpolitischen Wissenschaftlers" zu passen. Aber er gehörte zu der immer noch viel zu kleinen Schar derer, die, als sie mit Unrecht konfrontiert wurden, eben nicht wegsahen oder gar Beifall klatschten, sondern wenigstens versuchten es zu mildern, wenn nicht zu neutralisieren. Er hatte Glück, einen Chef wie Wieland zu haben und einen engeren Kollegenkreis, in dem sich genug ähnlich gesinnte125 befanden und keine Denunzianten; sicherlich beeinflußten sie sein Handeln zum Guten. Aber auch sie hatten Glück, Hüttel zu haben, denn es dürfte nur wenige Privatdozenten (oder auch Professoren) gegeben haben, die derartige Risiken für die Karriere und sogar die eigene Person auf sich zu nehmen bereit waren.126 Rückblickend meinte Hüttel, der größte Erfolg seiner Tätigkeit an der Universität München sei die Rettung der Institutsbibliothek über das Kriegsende hinaus gewesen.127 Hier aber möchte ich ihm widersprechen: Sein größter Erfolg war es, zu denen gehört zu haben, die in jener Zeit ein Stück Anstand und Menschlichkeit retteten.


Anmerkungen

1. Dieser Beitrag entstand im Rahmen des längere Zeit von der DFG geförderten Projekts "Naturwissenschaftler München 1945-1949". Für eine kurze Projektbeschreibung sowie eine Liste der 1994 bereits verstorbenen behandelten Personen vgl. Freddy Litten: Das Schicksal der Naturwissenschaftler an der Universität München 1945-1949, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte, 18, 1995, S. 34-36. Für diesen Beitrag wurde auch eine Reihe telefonischer Gespräche mit ehemaligen Studenten und Mitarbeitern des Chemischen Labors geführt, von denen die meisten auch einen ersten Entwurf erhielten. Einige erbaten ihre Anonymisierung und werden daher nur mit einem Buchstaben gekennzeichnet. Ich möchte allen, die mir mündliche und schriftliche Auskünfte erteilten und Korrekturwünsche kenntlich machten, für ihre freundliche Hilfe danken. Daneben gilt mein Dank den Institutionen, die mir die einschlägigen Unterlagen zur Verfügung stellten, und nicht zuletzt Rudolf Hüttel, der dazu seine Genehmigung erteilt hatte. Zurück

2. Zu Wieland vgl. Bernd Witkop: Erinnerungen an Heinrich Wieland, in: Liebigs Annalen der Chemie, 1992, I-XXXII; außerdem Gerda Freise: Der Nobelpreisträger Prof. Dr. Heinrich Wieland: Zivilcourage in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Rudolf Lill, Michael Kißener (Hg.): Hochverrat? Die "Weiße Rose" und ihr Umfeld, Konstanz 1993, S. 135-157. Zum Chemischen Labor in der Kriegszeit vgl. jetzt auch die Erinnerungen von Hildegard Hamm-Brücher: Freiheit ist mehr als ein Wort. Eine Lebensbilanz 1921-1996, Köln 1996, S. 57-78. Eindrücke vor allem auch aus der Nachkriegszeit enthält: Rolf Huisgen: The Adventure Playground of Mechanisms and Novel Reactions, Washington/DC 1994, S. 3-12, 187ff. Alle Autoren schreiben als Zeitzeugen. Zurück

3. Vgl. Freddy Litten: Oskar Perron ‒ Ein Beispiel für Zivilcourage im Dritten Reich, in: Frankenthal einst und jetzt, 1995, Heft 1/2, S. 26-28. Ein Vergleich zwischen Perron und Wieland, gerade im Hinblick auf den Einfluß der Möglichkeiten (personelle Ausstattung des jeweiligen Labors bzw. Seminars) auf das an den Tag gelegte Verhalten, könnte sich als nützlich erweisen. Zurück

4. Biographische Angaben zu Hüttel in diesem Beitrag nach den (Personal)-Akten (PA) des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Kunst (BKM), des Rektorats (RUM), der Fakultät für Chemie und Pharmazie (FUM) und des Instituts für Organische Chemie (IOCh) der Ludwig-Maximilians-Universität München. Vgl. auch: J. C. Poggendorffs Biographisches Handwörterbuch, Band VIIa, Berlin 1956-1962, S. 569-570. Hüttel promovierte mit zwei Arbeiten: "Über die herzwirksamen Giftstoffe im Krötensekret" (erschienen als: Heinrich Wieland, Gerhard Hesse und Rudolf Hüttel: Zur Kenntnis der Krötengiftstoffe, IX: Weiteres zur Konstitutionsfrage, in: Justus Liebigs Annalen der Chemie, 524, 1936, S. 203-222) und "Über das Vorkommen von Pflanzensterinen in Kröten" (erschienen als: Rudolf Hüttel, Hans Behringer: Über das Vorkommen von Pflanzensterinen in Kröten, in: Hoppe-Seyler's Zeitschrift für physiologische Chemie, 245, 1937, S. 175-180). Zurück

5. Gelegentlich findet man auch den 14. Oktober 1938 als Endtag seiner Hamburger Beschäftigung. Zu Endres vgl. Jost Weyer: Das Fach Chemie an der Hamburger Universität im "Dritten Reich", in: Eckart Krause et.al. (Hg.): Hochschulalltag im "Dritten Reich". Die Hamburger Universität 1933-1945, Berlin 1991, Teil III, S. 1119-1140, hier S. 1127-1128. Zurück

6. Die Ernennung durch den Rektor erfolgte am 28. Februar 1940. Zurück

7. Vgl. dazu Wolf Bachmann: Die Attribute der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1807-1827, Kallmünz 1966, vor allem S. 192-206; Wilhelm Prandtl: Die Geschichte des Chemischen Laboratoriums der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München, Weinheim 1952. Prandtl, der jahrzehntelang Mitarbeiter und außerordentlicher Professor am Chemischen Laboratorium gewesen war, wurde 1937 wegen der "nicht-arischen" Abstammung seiner Ehefrau entlassen ‒ nachdem bereits vorher ein Antrag Wielands auf Verleihung des Titels und der Rechte eines ordentlichen Professors an Prandtl an diesem Umstand gescheitert war ‒ und beschäftigte sich danach vor allem mit Chemiegeschichte. Vgl. Freddy Litten: Wilhelm Prandtl, in: Laetitia Boehm et.al. (Hg.): Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München, Teil 2 (in Vorbereitung). Zurück

8. Vgl. Richard Willstätter: Aus meinem Leben, Weinheim 1958, S. 340-351. [Anm. 2004: Meine spätere Forschung zeigte, daß diese Angelegenheit komplexere Hintergründe hatte. Vgl. F. Litten: Der Rücktritt Richard Willstätters 1924/25 ...] Zurück

9. Vgl. Freddy Litten: Die Trennung der Verwaltung der Wissenschaftlichen Sammlungen des Staates von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, 55, 1992, S. 411-420. Zurück

10. Vgl. Robert Schwankner: Otto Hönigschmid (1878-1945), in: Chemie in unserer Zeit, 15, 1981, S. 163-174. Zurück

11. Erich Schmidt war 1933 in die NSDAP eingetreten, um seine jüdische Ehefrau und seinen Sohn zu schützen. Als sich dies als schwierig erwies, lies er sich von seiner Frau scheiden, die dann mit dem Sohn nach England auswanderte. Tatsächlich handelte es sich um eine genau eingefädelte Unternehmung: Da Schmidt die Schuld an der Ehezerrüttung auf sich genommen hatte, mußte er seiner Frau Unterhalt zahlen. Der gelang auch ins Ausland, dank der Beziehungen Schmidts zu bestimmten Personen der IG Farben. Zudem hatte er ihr Erfindungen mitgegeben, die sie in England patentieren lassen konnte, um so versorgt zu sein. Während des Krieges unterstützte Schmidt eine Familie in Deutschland finanziell, deren Angehörige in den USA wiederum Geld an seine geschiedene Frau in England sandten. Zwar kam die Familie nach dem Krieg nicht mehr länger zusammen, Frau Schmidt bestätigte jedoch die Einzelheiten in einem Schreiben an die amerikanische Militärregierung, so daß Schmidt, der ursprünglich als Minderbelasteter (Gruppe III) verurteilt werden sollte, schließlich sogar als Entlasteter (Gruppe V) eingestuft wurde. Obwohl also bei oberflächlicher (oder statistischer) Betrachtung Schmidt als "Nazi" erscheinen könnte, stand er dem Regime tatsächlich inhaltlich fern. Vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA), München: MK 55179; Amtsgericht München: Spruchkammerakte Erich Schmidt; Universitätsarchiv München (UAM): OC-N-1d Fakultätsprotokolle 1945-1953 (Beilagen), 22.1.1946. Zurück

12. Dies gilt auch für Wiberg, der zwar 1933 nach eigener Aussage aus Idealismus in die NSDAP eingetreten war, seine Illusionen jedoch offenbar im Laufe der Zeit verlor. Wie Nachkriegsaussagen von Wieland und Heinrich Tietze, einem politisch untadeligen Mathematiker und Kollegen Oskar Perrons (vgl. Monika Stoermer: Die Bayerische Akademie der Wissenschaften im Dritten Reich, in: Christoph J. Scriba (Hg.): Die Elite der Nation im Dritten Reich, Halle/Saale 1995, S. 89-109, hier S. 102), belegen, war Wiberg in München nicht politisch für die NSDAP aktiv, sondern unterstützte die Bemühungen der Gegner des Nationalsozialismus in der Fakultät. Amtsgericht München: Spruchkammerakte Egon Wiberg. Indes gibt es zahlreiche Aussagen von Zeitzeugen, die zumindest das Tragen des Parteiabzeichens und die recht ostentative Verwendung des "Heil Hitler" belegen. Es mag sein, daß Wiberg, wie manch anderer, verschiedene Gesichter zeigte, ohne jedoch, soweit bekannt ist, jemandem explizit zu schaden. Auf der anderen Seite waren die Verhältnisse an seiner anorganischen Abteilung sicherlich nicht so "ungewöhnlich" (und positiv) wie an der organischen Abteilung, wofür auch einige seiner Assistenten mitverantwortlich gewesen sein mögen. Eine genauere Untersuchung steht noch aus. Zurück

13. Vgl. Józef Hurwic: Kazimierz Fajans (1887-1975). Sylwetka Uczonego, Wroclaw 1991 (mit deutscher Zusammenfassung); Reynold E. Holmen: Kasimir Fajans (1887-1975): The Man and his work, in: Bulletin for the History of Chemistry, nr. 4, 1989, S. 15-23, nr. 6, 1990, S. 7-15. Zurück

14. Vgl. Institut für Zeitgeschichte (IfZ), München: ZS 3065 Freise, Valentin, Anlage 4, S. 4-5. Clusius gehörte, entgegen gewisser Gerüchte, zu keinem Zeitpunkt der NSDAP oder einer ihrer wichtigeren Organisationen an. Ähnlich dem Physiker Walther Gerlach erfreute er sich jedoch sowohl bei den anti-nationalsozialistischen Mitgliedern der Fakultät als auch bei Reichs- und Parteistellen einiges Ansehens. Zu den Umständen seiner Berufung, anfangs eigentlich eine Versetzung durch das Reichswissenschaftsministerium, von Würzburg nach München und den darauffolgenden Bemühungen aller Münchner Beteiligten, ihn gegen den Wunsch des Reichswissenschaftsministeriums, das ihn plötzlich in Göttingen sehen wollte, zu halten, siehe z.B.: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München (BayHStA): MK V 1384. Diese Vorgänge trieben recht kuriose Blüten, da Clusius jetzt dem Reichswissenschaftsministerium als "zu gut" für München erschien, während das Bayerische Kultusministerium mit dem möglichen Unwillen der Rockefeller-Foundation argumentierte, wenn das von ihr finanzierte Institut "nebenbei" von einem Professor der TH München (Günter Scheibe) geleitet würde, gar nicht zu sprechen von dem ohnehin bereits erfolgten Schaden für das Ansehen Deutschlands im Ausland nach der "Vertreibung" Fajans'.
Viele damalige Studenten erinnern sich noch an Clusius' Vorlesung über die Chemie im 19. Jahrhundert (gehalten im Wintersemester 1942/43), in der er sich recht deutlich gegen eine politische Vereinnahmung der Wissenschaften aussprach und die sich eines großen Publikums erfreute.
Nach dem Krieg erklärte sich Clusius bereit, seinen Lehrstuhl aufzugeben, falls Fajans nach München zurückkehren wolle. Angesichts der Zerstörung der Münchner Chemie und der guten Arbeitsverhältnisse, die Fajans mittlerweile in Ann Arbor/Michigan gefunden hatte, war indes eine solche Rückkehr im Grunde nicht anzunehmen und fand auch nicht statt. IOCh: Dienstzimmerkorrespondenz Wieland (KW), Notiz C. Carathéodorys, A. Sommerfelds und Wielands, 27.3.1946. Zurück

15. Das folgende nach einem Schreiben Hüttels an den Verfasser, 31.5.1993. Zurück

16. In einer Erklärung als Anlage zum Großen Fragebogen hatte Hüttel noch dargelegt, daß er eher zwangsweise in die SA eingetreten war, da er sonst sein Studium nicht hätte fortsetzen können. Amtsgericht Augsburg (AgA): Spruchkammerakte Rudolf Hüttel (SKA Hüttel). In seinem Schreiben an den Verfasser vom 31.5.1993 meinte Hüttel unter konkreter Bezugnahme auf seinen SA-Eintritt, daß "natürlich ... die Verhältnisse in Fragebogen + Beilage übertrieben geschildert" seien. Ein wesentlich negativeres Bild eines Freiburger SA-Sturms im Sommersemester 1933 entwirft Helmut Behrens in seinen Erinnerungen; er bestätigt indes auch das "Hineinpressen" in den SA-Sturm. Helmut Behrens: Zwei schicksalsreiche Jahrzehnte für die alte Technische Hochschule München. Erlebnisse eines Chemikers zwischen 1933 und 1953, Erlangen (Privatdruck) 1996, S. 2f. (erweiterte Ausgabe: Helmut Behrens: Wissenschaft in turbulenter Zeit. Erinnerungen eines Chemikers an die Technische Hochschule München 1933-1953, München 1998). Zurück

17. Hüttel hatte in der SA bzw. im NSKK den "Rang" eines Rottenführers inne, der etwa dem eines Obergefreiten entsprach und im Grunde ohne Bedeutung war. Der Weg aus der SA über das NSKK scheint nicht ganz unüblich gewesen zu sein. Zurück

18. Berlin Document Center (inzwischen Bundesarchiv Berlin Außenstelle Zehlendorf) (BDC): Parteikartei: Hüttel, Rudolf. Zurück

19. AgA: SKA Hüttel, Erklärung zum Großen Fragebogen. Zu jener Zeit verlobte er sich auch mit seiner zukünftigen Frau, 1940 heirateten sie, 1942 kam der erste, 1946 der zweite Sohn zur Welt. Ibid.: Erklärung Hilde Hüttel, 26.1.1946. Zurück

20. Ich sehe keine Veranlassung, an Hüttels Aussage, er habe "nie nationalsozialistisch gedacht", zu zweifeln. Hüttel an den Verfasser, 31.5.1993. Ein Karteiblatt von 1942 sowie das Personalblatt des Bayerischen Kultusministeriums vom 19.5.1943 enthalten die Eintragung, Hüttel sei "Blockwart" bzw. "Blockleiter" der NSDAP. BKM: PA Rudolf Hüttel. Wie es zu diesen Eintragungen kam ‒ Hüttel an den Verfasser, 31.5.1993: "Von einer Blockleitertätigkeit ist mir überhaupt nichts bekannt." ‒, die auch sonst nirgends nachzuweisen sind, bleibt unklar. Zurück

21. AgA: SKA Hüttel. Zurück

22. Siehe dazu Jeremy Noakes: The Development of Nazi Policy towards the German-Jewish "Mischlinge" 1933-1945, in: Leo Baeck Institute Year Book XXXIV, 1989, S. 291-354. Zurück

23. Vgl. die Erklärung seiner Frau vom 26.1.1946 in AgA: SKA Hüttel. Interessanterweise schreibt Hüttel, daß er von der "Reichskristallnacht" "überhaupt nichts bemerkte". Hüttel an den Verfasser, 31.5.1993. Zurück

24. Müller, im Bereich der theoretischen Physik inkompetenter Nachfolger Arnold Sommerfelds auf dem Lehrstuhl für theoretische Physik, war zu jener Zeit der Nationalsozialist und Vertreter der "Deutschen Physik" innerhalb der Fakultät; eine biographische Studie über ihn ist in Vorbereitung. Einer derjenigen, die sich für Sommerfeld offen einsetzten, war Clusius (Auskünfte von Helmut Behrens und Valentin Freise). Zurück

25. BKM: PA Rudolf Hüttel, 15.7.1941. FUM: Habilitationsakt Hüttel, 26.5.1942. IOCh: Akte Rüstungskommando, Listen zur Sicherstellung von Wissenschaftlern, 1944. Zurück

26. Erschienen unter den Titeln "Über einige Aldehyde der Pyrazol- und der 1.2.3-Triazol-Reihe" und "Über Malondialdehyd, I. Mitteilung", in: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, 74, 1941, 1680-1687, 1825-1829. Vgl. FUM: Habilitationsakt Hüttel. Zurück

27. BKM: PA Rudolf Hüttel. Zurück

28. BKM: PA Hüttel, 30.4.1943. Am 24. Mai 1943 gab die für Hüttel zuständige Ortsgruppe Theodolindenplatz der NSDAP an die Gauleitung München-Oberbayern wegen einer Anfrage des NS-Dozentenbundes folgendes "Ausführliches Gesamturteil" ab: "Pg. Hüttel ist zuverlässig, gerader offener Charakter und politisch in jeder Weise verlässig." BDC: Parteikorrespondenz Rudolf Hüttel. Die Erlangung der Dozentur stellte oft eine größere Hürde in politischer Hinsicht dar als die Habilitation, denn mit der Erlangung der Dozentur war man im "heiklen" Ausbildungsbereich tätig, so daß hier schärfere politische Maßstäbe angelegt wurden. Zurück

29. RUM: PA Rudolf Hüttel, 18.10.1943. Den während des Krieges ausgesetzten Lehrgang am Reichslager für Beamte sollte er nach Kriegsende nachholen. Zurück

30. Winfried Müller: Gauleiter als Minister. Die Gauleiter Hans Schemm, Adolf Wagner, Paul Giesler und das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus 1933-1945, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, 60, 1997, S. 973-1021, besonders S. 1002ff. Zurück

31. UAM: Sen. 56. Zurück

32. Ibid. Zurück

33. Zu den Studienmöglichkeiten und -bedingungen "halbjüdischer" Studenten vgl. Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich, Paderborn 1995, S. 212-227. Zurück

34. Tatsächlich hatte der Dozentenschaftsleiter, wie ein Vermerk in der gleichen Akte ausweist, folgendes am 2.6.1943 telefonisch mitgeteilt: "Prof. Schmidt ist fachlich hervorragend, charakterlich nicht ganz klar; ein Mensch, der für den nationalsozialistischen Staat eintritt; die nichtarische Frau lebt in England." Zurück

35. Vgl. Michael C. Schneider, Winfried Süß: Keine Volksgenossen. Studentischer Widerstand der Weißen Rose, München 1993; Christiane Moll: Die Weiße Rose, in: Peter Steinbach, Johannes Tuchel (Hg.): Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1994, S. 443-467. Zurück

36. Wolfgang Erlenbach, der bereits ein Jurastudium abgeschlossen hatte, begann im Anschluß ein Chemiestudium, bis sich herausstellte, daß er als "Halbjude" zu gelten hatte. Er erhielt daraufhin keine Genehmigung zum Weiterstudium, fand aber Unterschlupf als "Laborant" im Privatlabor Erich Schmidts; den Vertrag dazu unterzeichnete Wieland (Auskunft von Wolfgang Erlenbach). Zurück

37. Vgl. hierzu zusätzlich zur Literatur in Anm. 35: Ottmar Seuffert: "Strafsache gegen Leipelt und andere" ‒ Zur Rechtsprechung des Volksgerichtshofs am 13. Oktober 1944 in Donauwörth, in: Hans-Leipelt-Schule (Hrsg.): 25 Jahre Staatliche Fachoberschule Donauwörth, Donauwörth (1995), S. 34-53. Zur Hamburger Verbindung Leipelts auch Hans-Harald Müller, Joachim Schöberl: Karl Ludwig Schneider und die Hamburger "Weiße Rose", in: Krause, op.cit., S. 423-437. Zurück

38. Es ist unklar, wieweit eine mögliche absichtliche Denunziation eines Mitglieds des Chemischen Labors Ursache für die Verhaftung war, wie manche der damaligen Studenten noch heute annehmen. (Vgl. auch Chemiker im Gespräch: Erinnerungen an Heinrich Wieland [Interview mit Gerda Freise und Hildegard Hamm-Brücher], in: Chemie in unserer Zeit, 11, 1977, S. 143-149, hier S. 146.) Der Mitangeklagte Valentin Freise vermutete dagegen, daß eine Denunziation "eher mittelbar, durch Fahrlässigkeit" geschah, und sprach bereits 1946 von der "pathologischen Unvorsichtigkeit" Leipelts, die auch in der Literatur Erwähnung findet und von mehreren Zeitzeugen bestätigt wird. IfZ: ZS 3065 Freise, Valentin, Anlage 4 (Stellungnahme zum Interview Hamm-Brücher und Freise). IOCh: KW, V. Freise an Wieland, 4.8.1946. Schneider/Süß, op.cit., S. 39. Dies ändert natürlich nichts an der Schwere des Unrechts, das im Anschluß Leipelt widerfuhr. Zurück

39. Seuffert, op.cit., S. 40-42. Zurück

40. Später gab Freise an, man habe den Saal als "Ghettosaal" bezeichnet. IfZ: ZS 3065, Anlage 6 (Valentin Freise: Heinrich Wieland und der Nationalsozialismus. Ein Kapitel Widerstand). Es mag sein, daß er den Begriff "Halbjudensaal" hier benutzte, um einen negativen Eindruck zu vermeiden. Einer der "halbjüdischen" Studenten, Heinz Eder, bemühte sich extra deswegen, in den anderen, von Friedrich Klages geführten Saal zu kommen, da er im Zuge der Scholl-Affäre sich dort größere Sicherheit erhoffte. Kurioserweise gab es aber auch im "Klages-Saal" wohl mehrere "halbjüdische" Studenten. Zurück

41. AgA: SKA Hüttel (29.11.1945). Generell müssen natürlich derartige "Eidesstattliche Erklärungen", im Volksmund nicht zu Unrecht oft "Persilscheine" genannt, mit erhöhter Vorsicht betrachtet werden. Auch im Fall Hüttel mögen sie kleinere Übertreibungen enthalten; wie jedoch die zeitgenössischen Unterlagen und die Befragung der Zeitzeugen erweisen, zeichnen sie hier ein weitgehend vertrauenswürdiges Bild. Zurück

42. Hüttel an den Verfasser, 31.5.1993; Auskunft Valentin Freises. Zurück

43. Vgl. Chemiker im Gespräch, op.cit., hier S. 148; sowie IfZ: ZS 3065, Anlage 4 und Anlage 6. In letzterer schreibt Valentin Freise: "Wieland ließ es sich nicht nehmen, selbst nach Donauwörth zu fahren, um als Entlastungszeuge auszusagen. Unvergesslich für alle, die es miterlebt haben, ist die Selbstverständlichkeit, mit der er die Gefangenen ansprach und die das Wachpersonal so verblüffte, daß man ihn tatsächlich einige Zeit gewähren ließ. Vor dem Volksgericht ‒ er vermied es auch hier, den 'Deutschen Gruß' zu erweisen ‒ hatte er zur Sache selbst kaum etwas auszusagen. Aber als moralischer Rückhalt und für die seelische Aufrichtung der Angeklagten war seine Anwesenheit nicht zu überschätzen. Er demonstrierte gerade ihnen durch sein Auftreten, daß sie auch jetzt noch seine Studenten seien." Zurück

44. Treppesch war aus der Polizeihaft in das KZ Dachau gebracht worden, bevor er in Donauwörth freigesprochen wurde; Dreyfeldt war direkt aus der Polizeihaft entlassen worden. IfZ: ZS 3065, Anlage 4, S. 3-4. Zurück

45. Seuffert, op.cit. AgA: SKA Hüttel, Erklärung Valentin Freise, 29.11.1945. Die Urteile wurden beim Prozeß gegen Mirjam David als "milde" charakterisiert. Mitteilung von Marie-Luise Schultze-Jahn. Zurück

46. IfZ: ZS 3065 Freise, Valentin, Anlage 4, S. 4. Zurück

47. Seuffert, op.cit., S. 49-50. Zurück

48. AgA: SKA Hüttel, 17.1.1946. Vgl. auch Chemiker im Gespräch, op.cit., S. 147. Zurück

49. AgA: SKA Hüttel, 12.1.1946. Zurück

50. AgA: SKA Hüttel (Mitteilung des Arbeitsamts München an die Spruchkammer, 9.10.1946). Zurück

51. Eine der beiden war T. Sie hatte zuerst eine Ausbildung im privaten "Chemischen Laboratorium Dr. Johannes Hoppe" zur technischen Assistentin durchlaufen, wobei ihr auffiel, daß man sich dort gerade für die "Halbjuden" besonders einsetzte. Ab Mai 1941 arbeitete sie dann als technische Assistentin bei Hönigschmid; im Juli 1943 beschloß man im Kultusministerium, daß ihr zum nächstmöglichen Termin zu kündigen sei. Das entsprechende Schreiben unterblieb jedoch, und selbst Stabsleiter Klein stimmte ihrer Weiterbeschäftigung zu, nachdem offenbar Wieland auf die Wichtigkeit ihrer Tätigkeit und die Personalverhältnisse hingewiesen hatte. Allerdings wurde von Seiten des Kultusministeriums noch die Gauleitung München-Oberbayern der NSDAP befragt, deren Bedenken (nach fast sechs Monaten) schließlich dazu führten, daß T zum 31. März 1944 entlassen werden mußte. Sie fand jedoch wieder eine Anstellung im universitären Bereich beim Leiter des chemischen Laboratoriums der Zweiten Medizinischen Klinik, Karl Dirr. Im November 1944 mußte sie trotz aller Anstrengungen Dirrs ihre Tätigkeit beenden und wurde zum Waschen von Straßenbahnwagen eingesetzt. Als durch die Fliegerangriffe das Depot so weit zerstört war, daß ihre Arbeit unnötig wurde, setzte man sie als "Putzfrau" im Rathaus ein, während die regulären Putzfrauen, wie sie bemerkt, daheim blieben. BayHStA: MK V 1439 (Aktenauskunft); Auskunft Ts an den Verfasser. Zurück

52. AgA: SKA Hüttel, 25.1.1946. Zurück

53. Diese "kriegswichtigen" Forschungsaufträge behandelten z.B. die Farbstoffe der Schmetterlingsflügel (Pterine) und Curare. Vgl. Witkop, op.cit., S. XII-XIV. Zurück

54. UAM: Sen. 56, 17.2.1944. Zurück

55. UAM: Sen. 56. Zurück

56. Das folgende nach BayHStA: MK V 1438; parallel dazu UAM: Sen. 56. Zurück

57. Tatsächlich datiert der Vorgang beim Arbeitsamt auf den 23. März 1944 und dürfte zumindest H bereits bekannt gewesen sein, da sich in UAM: Sen. 56 ein Telegramm vom 3. April 1944 von Schülke & Mayr an H befindet, in dem mitgeteilt wird, daß die "Einstellung vom Arbeitsamt München ordnungsgemäß genehmigt" sei. Zurück

58. Tatsächlich war er im Studentenverzeichnis Wintersemester 1943/44 bereits als Doktorand Hüttels eingetragen. IOCh: Studentenverzeichnisse 1943-1944/45. Allerdings sind diese Eintragungen nicht in allen Fällen zuverlässig. Zurück

59. Und, möchte man fast anfügen, er hatte eine "Dummheit" begangen, indem er eine nicht-universitäre Stelle angeschrieben hatte. Zurück

60. Müller, op.cit., S. 1019, Anm. 172. Zurück

61. Vgl. Gerda Freise, op.cit., S. 147. Nichtsdestoweniger findet sich ein Abdruck in mindestens vier Akten. Zurück

62. AgA: SKA Hüttel, 26.10.1945; Auskunft Hs an den Verfasser. Zurück

63. IOCh: Studentenverzeichnisse 1943-1944/45. UAM: Sen. 60. Zurück

64. AgA: SKA Hüttel, 21.1.1946. G promovierte nach dem Krieg. Mit diesem Verhalten stand Hüttel übrigens nicht allein: Robert Königsberger, ebenfalls ein "Mischling Ersten Grades", berichtet, daß sein Doktorvater Erich Schmidt ihn und S, der bei einem anderen Dozenten promovierte, an das IG Farben-Werk Dormagen vermittelte, als die Gefahr des Zwangsarbeitslagers bestand. Robert Königsberger an den Verfasser, 5.9.1997. Zurück

65. Z.B.: Schneider/Süß, op.cit., S. 34. Zurück

66. IOCh. Sie enthält vermutlich eine Fehlzuweisung und führt mehrere Personen auf, die definitiv nicht als Studenten anzusehen sind. Zurück

67. Hier sind "Gäste ohne Gebühren" gemeint (so in den Studentenverzeichnissen), nicht die "Gäste des Herrn Geheimrats", denn es handelte sich durchwegs um promovierte Personen. Zudem befindet sich unter ihnen einer, dem Wieland nach dem Krieg mitteilen ließ, daß er ihn als Nationalsozialisten kennengelernt habe und daß daher eine Eidesstattliche Erklärung für ihn wohl nicht sinnvoll sei. IOCh: KW. Zurück

68. Information von Michael Grüttner (Berlin), 25.8.1997, basierend auf einem Dokument des Bundesarchivs Berlin: R 21/729. Interessanterweise befanden sich von den 80 oder 81 "Mischlingen Ersten Grades", die nach diesen Angaben an einer "deutschen" Hochschule (also auch in Wien, Straßburg oder Prag) studierten, 13 an der Technischen Hochschule München, an den Wiener Hochschulen studierten 17. Es ist anzunehmen, daß gerade bei Hans Fischer, Wielands Pendant an der TH München und Nobelpreisträger von 1930, eine Reihe "Halbjuden" studierte. Vgl. Behrens, op.cit., S. 38. Zurück

69. IOCh. Zurück

70. Noakes, op.cit., S. 351. Zurück

71. Mitteilung Valentin Freises. Heinz Eder, der sein Studium zwar vor 1939 begonnen hatte, aufgrund eines verwaltungstechnischen Details aber nach der Entlassung aus der Wehrmacht erneut "beginnen" mußte, wartete ca. eineinhalb Jahre auf die Genehmigung. Währenddessen ließ er sich in einem Privatlabor zum technischen Assistenten ausbilden und fand dort eine ähnlich positive Atmosphäre vor wie T. Mitteilung Heinz Eders. Zurück

72. AgA: SKA Hüttel, Erklärung Wielands. Zurück

73. UAM: Sen. 60 (21.11.1944, 25.11.1944). Zurück

74. IOCh: Studentenverzeichnisse 1943-1944/45. Sorge hatte 1942/43 bei Hüttel gearbeitet und stellte ihm daher eine Eidesstattliche Erklärung aus. AgA: SKA Hüttel, 21.1.1946. Auskunft Valentin Freises. Zurück

75. Andererseits ist ein solches Studium ohne Immatrikulation, gerade auch in der Chemie, offenbar historisch gesehen kein Novum. Auskunft Wolfgang Smolkas (München). Zurück

76. Mitteilung an den Verfasser. Zurück

77. Mitteilung von Frau S. Es liegt auch eine (vorläufige) Studiengenehmigung von 1942 vor. Zurück

78. Hamm-Brücher, op.cit., S. 58, 77. Zurück

79. Es ist nicht sehr populär, dem wegen der Geschwister-Scholl-Affäre und seiner Tätigkeit im Ahnenerbe (Kurator), ganz abgesehen von seiner Formalbelastung (SS-Oberführer), stark belasteten Wüst andere als negative Verhaltensmomente zu unterstellen, doch scheint mir, allein im Zusammenhang mit Wieland, seine Geduld recht erstaunlich. Auch die Genehmigung des Studiums so vieler Mischlinge, die er ja erteilt bzw. weitergeleitet hatte, ist keineswegs selbstverständlich. Damit soll Wüst nicht pauschal entschuldigt oder entlastet werden, es soll nur darauf hingewiesen werden, daß er wahrscheinlich eine kompliziertere Persönlichkeit war, als gemeinhin dargestellt. Eine Notiz über das Spruchkammerverfahren gegen Wüst, in dem Wieland ihm bescheinigte, er habe "gegenüber politisch Andersdenkenden keine aggressive oder intolerante Haltung eingenommen", sich aber auch "[g]egen die Anordnungen der oberen Parteistellen [...] niemals ernstlich aufgelehnt", ist in Vorbereitung. Zurück

80. Noakes, op.cit., S. 354. Zurück

81. Man mag einwenden, daß die Denunziation des Fronturlaubers 1943 durchaus Gefahr für Wieland bedeutet hatte. Meiner Meinung nach lag jedoch die eigentliche Gefahr weniger in den Ausführungen über die "Judensippe", als vielmehr in der Andeutung der "Wehrkraftzersetzung". Etwas später und mit bösem Willen hätte eine stärker darauf abzielende Denunziation auch einen Wieland in arge Bedrängnis bringen können. Zurück

82. Die gegenüber Gerda und Valentin Freise nach dem Krieg geäußerte Begründung Wielands, er habe sich am Anfang des nationalsozialistischen Regimes etwas aussuchen wollen, das er durchhalten könne, und dabei sei ihm die Ignorierung der Rassenideologie eingefallen (Chemiker im Gespräch, op.cit., S. 144), erscheint mir, obwohl auf den ersten Blick konkreter, weniger geeignet und, im positiven Sinn, fragwürdig. Z.B. scheint mir eine Unverhältnismäßigkeit zu bestehen zwischen der Absicht, das "widerständige" Handeln durchhalten zu wollen, und dem Objekt, das einen zentralen Pfeiler des Regimes darstellte. Zudem wird die "menschliche Komponente" ignoriert, die beispielsweise darin Ausdruck findet, daß ein Teil der "Halbjuden" über ihre Familien Beziehungen zu Wieland hatte, z.B. weil der Vater Chemiker war oder sogar bei Wieland studiert hatte. (Dies basiert auf Erkenntnissen von Gerda Freise.) Damit soll keineswegs impliziert werden, daß Wieland nur deswegen half oder gar die Leute entsprechend aussuchte; im Gegenteil ist dies ein Erklärungsansatz, warum viele zu ihm fanden. (Und geschenkt, wie alle Zeitzeugen feststellen, wurde wissenschaftlich niemandem etwas.) Sicherlich spielten bei Wieland von vornherein politische Gründe eine größere Rolle als etwa bei Hüttel, doch ist die Frage nach der Gewichtung der einzelnen Beweggründe noch unbeantwortet. Zurück

83. BayHStA: MK V 1438, 17.10.1945, 6.11.1945, 14.11.1945. Dies galt auch für fünf weitere Assistenten am Chemischen Laboratorium. Zurück

84. Hüttel an den Verfasser, 31.5.1993. Vgl. BayHStA: MK V 1437, 22.6.1945; MK V 1438, 17.10.1945. Zurück

85. Vgl. Alfred Treibs: Das Leben und Wirken von Hans Fischer, o.O. 1971. Zurück

86. Vgl. Lothar Birkenbach: Otto Hönigschmid 1878-1945, in: Chemische Berichte, 82, 1949, S. XI-LX, hier vor allem S. LVIII-LIX. Ein Auszug des Abschiedsbriefs Hönigschmids an Clusius findet sich im Teilnachlaß Wieland in: Deutsches Museum ‒ Archive, Dokumentationen, Sondersammlungen (DM-ADS): NL 57, Mappe 9. Drei weitere Beispiele von Selbstmorden von Chemikern außerhalb Münchens erwähnt eine kurze Notiz in: Angewandte Chemie, 59, 1947, S. 32. Zurück

87. DM-ADS: NL 57, Mappe 9, 13.7.1945 (Military Government an Wieland). IOCh: KW, Wieland an Military Government, 8.10.1945, Wieland an Staudinger, 21.11.1945, Wieland an Ehrenstein, 2.1.1946, Wieland an Schöpf, 30.1.1946, Wieland an Knauer, 15.10.1946. Eine mögliche Erklärung für den Hausarrest, wenn es denn überhaupt eine gab, mag die offenbar damals kursierende falsche Behauptung gewesen sein, Wieland hätte in einer Vorlesung gesagt, Deutschland hätte den Krieg durch Giftgaseinsatz gewinnen können. Ibid., Wieland an Dekanat der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München, 15.5.1946. F. G. Fischer, Chemieprofessor in Würzburg, schrieb am 10. März 1946 an Wieland (in ibid.): "Die Ursache der erzwungenen Ruhe [Hausarrest] wurde auch mir nicht mitgeteilt. Bei einem Besuch in der CIC-Abteilung [Counter-Intelligence Corps] der Militärregierung wurde nur in freundlichster Weise betont, dass ich den Arrest nicht als Strafe aufzufassen hätte. Eine Strafe ohne Mitteilung des Grundes wäre auch unpädagogisch, also wohl nicht demokratisch." Zu Wieland in jener Zeit vgl. auch Witkop, op.cit., S. XVII. Zurück

88. IOCh: KW, Wieland an K. Freudenberg, 20.2.1946. Zurück

89. IOCh: KW. Zurück

90. IOCh: KW, Wieland an G. Hesse, 16.1.1946. Zurück

91. Unterlagen des Forschungsprojekts "Naturwissenschaftler München 1945-1949". Die Angaben beziehen sich auf die im Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1945 genannten Dozenten, dazu kämen noch mehrere nicht-habilitierte Assistenten, von denen offenbar fast alle bis Ende Januar 1946 entlassen waren. S. dazu die Listen in IOCh: Akte Entnazifizierung. Zurück

92. IOCh: KW, Wieland an Rosenfeld, 24.4.1947. Zurück

93. Ursula Huber: Die Universität München ‒ Ein Bericht über den Fortbestand nach 1945, in: Friedrich Prinz (Hg.): Trümmerzeit in München, München 1984, S. 156-160. Zurück

94. Vgl. z.B. IOCh: KW, Hüttel an Wieland, 29.12.1946, Wieland an Hüttel, 3.1.1947. Zurück

95. Nachdem auch noch das nicht unbeträchtliche Problem der Beschaffung eines Zerstäubers gelöst war, erwies sich das Mittel als durchaus nachbestellenswert. IOCh: KW, Wieland an Michael Erlenbach, 7.11.1946, 16.5.1948. Zurück

96. Zu den Entlassungen vgl. U. Huber, op.cit., S. 156. Hierbei handelte es sich sozusagen um eine "mechanische" Entscheidung nach Listen, die der Militärregierung vorgelegt werden mußten. Parteimitgliedschaft bedeutete üblicherweise die Entlassung. Personen, deren besondere Belastung den Amerikanern zum Teil schon während des Krieges zu Ohren gekommen waren, wurden bereits früher entlassen. Am Chemischen Labor betraf dies offenbar nur den Präparator K, der bereits am 12. Juli 1945 entlassen wurde und dem Wieland später auch nicht helfen wollte, da er sich nationalsozialistisch betätigt habe. (Da ich K nicht näher "untersucht" habe, verzichte ich auf die Nennung seines Namens.) Zurück

97. IOCh: Akte Hüttel. Zurück

98. Das folgende nach Amtsgericht Augsburg: SKA Hüttel. Zurück

99. Wie Hüttel bereits am 5. Oktober 1946 in einem Schreiben an Wieland darlegte, sah er seine Anstellung in Gersthofen keineswegs als endgültig an. IOCh: KW. Zurück

100. Es scheint leider keine statistische Untersuchung über die Abhängigkeit der auferlegten Geldsühne vom Zeitpunkt der Spruchkammerentscheidung zu geben, doch scheint es mir relativ evident, daß je später das Urteil, desto geringer normalerweise die Sühne ausfiel. Gesichert ist hingegen spätestens seit Niethammers klassischer Studie, daß die Härte des Spruches mit den Jahren deutlich nachließ, wobei allerdings Mitläufer nicht signifikant vermehrt als Entlastete eingestuft wurden. Lutz Niethammer: Die Mitläuferfabrik. Die Entnazifizierung am Beispiel Bayerns, Berlin 1982, S. 541, 617-621. Ein ausführlicheres Beispiel aus der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München bietet Freddy Litten: Max Dingler ‒ Die andere Seite, in: Literatur in Bayern, Nr. 43, 1996, S. 10-23. (Max Dingler war u.a. im Grunde verantwortlich dafür gewesen, daß aus dem Staatslaboratorium ein Universitätslaboratorium wurde.) Zurück

101. IOCh: KW. Vgl. das Schreiben Hüttels an den Verfasser, 31.5.1993: "Das Spruchkammerurteil war mir damals und ist mir auch heute völlig egal." Zurück

102. RUM: PA Hüttel. Zurück

103. FUM: Akte Hüttel, 27.2.1946. Von "jüdischen Studenten" ist mir nichts bekannt. Zurück

104. BKM: PA Rudolf Hüttel. Zurück

105. Vgl. U. Huber, op.cit., S. 156. Zurück

106. Hüttel zweifelte - recht ironisch -, ob er die "neuerdings verlangten 'moralischen Qualitäten' werde aufweisen können". IOCh: KW, Hüttel an Wieland 29.12.1946. Zurück

107. IOCh: KW. Zurück

108. IOCh: Akte Hüttel. Zurück

109. IOCh: KW, 20.9.1947, 29.9.1947. Zurück

110. RUM: PA Hüttel. Zurück

111. IOCh: KW, Wieland an Hüttel, 8.3.1948. BayHStA: MK 55449, 9.6.1948. Zeitweise gab es weder an der Universität noch an der Technischen Hochschule München einen Habilitierten, der die anorganische Grundvorlesung abhalten konnte. Vgl. Behrens, op.cit., S. 94f. Zurück

112. IOCh: KW. Zurück

113. UAM: OC-N-1d Fakultätsprotokolle. Zurück

114. BKM: PA Rudolf Hüttel. Zurück

115. BKM: PA Hüttel. Zurück

116. IOCh: KW, Hüttel an Wieland, 21.8.1949. Bereits vorher hatte Wieland Hüttel neben anderen für Extraordinariate in Tübingen und Göttingen vorgeschlagen. Ibid., Wieland an den Dekan der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen, 11.7.1949, Wieland an H. Brockmann, 6.12.1948. Zurück

117. Diese Übernahme wurde hauptsächlich durch Debatten über die zu geringe Bezahlung verzögert, die sich unter anderem durch die Nichtanrechnung von Hüttels Industriejahren ergab. IOCh: KW, 12.2.1950, 13.3.1950; FUM: Akte Hüttel, 20.9.1950. Zurück

118. Nach FUM: Akte Hüttel. Zurück

119. Rolf Huisgen an den Verfasser, 29.10.1997. Zurück

120. Chemiker im Gespräch, op.cit., S. 148. Zurück

121. Hüttel an den Verfasser, 31.5.1993. Zurück

122. UMA: OC-N-1d Fakultätsprotokolle, 26.11.1936. Zurück

123. AgA: SKA Hüttel, 1.11.1945. Zurück

124. Hierbei muß man generell auch eine Abwägung der Verantwortung gegenüber der eigenen Familie und gegenüber der Allgemeinheit bedenken. Zurück

125. Bei keinem von ihnen wurde das Verhalten jedoch in vergleichbarem Umfang aktenkundig wie bei Hüttel, nicht einmal in den Spruchkammerverfahren. Zurück

126. Die Nachkriegsaussage seiner Frau, daß sie "in den Jahren 1943-1945 täglich mit seiner Verhaftung rechnen musste", ist sicherlich nicht ganz aus der Luft gegriffen. AgA: SKA Hüttel, 26.1.1946. Zurück

127. Hüttel an den Verfasser, 31.5.1993. Zurück

© Freddy Litten
13.7.2023