Freddy Litten

(Frederick S. Litten)

Wilhelm Lenz ‒ Kurzbiographie

Die folgende Kurzbiographie wurde ursprünglich 1993 für den zweiten Band des "Professorenkatalogs" der Ludwig-Maximilians-Universität München verfaßt und 2000 auf den damals neuesten Stand gebracht. Da jedoch das Erscheinen dieses Bandes immer noch nicht absehbar ist, wird sie hiermit in seitdem unveränderter Form im Internet präsentiert, um vielleicht doch noch von Nutzen zu sein.
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Lenz, Wilhelm, * 8. 2. 1888 Frankfurt/Main-Bockenheim, † 30. 4. 1957 Hamburg. (ev.) Ledig.
V Karl, Werkmeister; M Wilhelmine Harth.

L. absolvierte 1906 die Klinger-Oberrealschule in Frankfurt/Main und studierte daraufhin an den Univ. Göttingen und München. Am 2. 3. 1911 promovierte er in Physik an der Univ. München bei Arnold Sommerfeld und wurde am 1. 4. 1911 dessen Assistent am Institut für theoretische Physik. Am 20. 2. 1914 habilitierte sich L. ebenfalls an der Univ. München und wurde am 4. 4. 1914 zum Priv.-Doz. ernannt. Während des Ersten Weltkriegs war er als Funker in Frankreich und erhielt 1916 das Eiserne Kreuz II. Klasse. Bis zum 30. 9. 1920 war L. noch Assistent am Institut für theoretische Physik, am 11. 11. 1920 erhielt er Titel und Rang eines ao. Prof.s für die Dauer seines bayer. Hochschuldienst, wurde indes bereits am 1. 12. 1920 enthoben, um eine ao. Professur an der Univ. Rostock anzunehmen. Von 1921 bis zu seiner Emeritierung 1956 war er o. Prof. für theoretische Physik und Direktor des Instituts für theoretische Physik an der Univ. Hamburg.

In der Anfangszeit beschäftigte sich L. vorwiegend mit Themen der Sommerfeld-Schule, z.B. in seiner Diss. über elektromagnetische Felder in Spulen und in der Habil. über Eigenschwingungen in Spulen. Nach dem Ersten Weltkrieg liegen Publikationen zur Theorie der Bandenspektren vor. 1920 erklärte L. paramagnetische Eigenschaften fester Stoffe durch Umklapp-Prozesse, wodurch er die Grundlagen für das später viel-verwendete Lenz-Ising-Modell legte. Besonders bedeutsam sind auch L.s Arbeiten im Bereich der Quantenphysik, vor allem die Lösung des Problems des Wasserstoffatoms in gekreuzten Feldern (Einführung des Runge-Lenz-Vektors), und Studien über Spektrallinienverbreiterung und die Theorie des idealen Gases. Aber auch Schiffswellen, Beugung von Molekularstrahlen und astrophysikalische Probleme waren Themen seiner Veröffentlichungen. Das von L. in Hamburg gegründete Seminar bildete, in Verbindung mit dem dortigen Ordinarius für Experimentalphysik Otto Stern, eine wichtige Ausbildungsstätte: u. a. Wolfgang Pauli, Pascual Jordan und Albrecht Unsöld waren als Priv.-Doz. dort tätig.

Q UAM, E-II-N Wilhelm Lenz, OC-N 14 Wilhelm Lenz; BayHStAM, MK 17832; BayHStAM, Kriegsarchiv, OP 15520; Deutsches Museum - Archive, Dokumentationen, Sondersammlungen, Briefe Lenz-Sommerfeld.

W Über das elektromagnetische Wechselfeld der Spulen und deren Wechselstrom-Widerstand, Selbstinduktion und Kapazität, Diss. Univ. München 1911 (gedruckt: Leipzig 1911); Berechnung der Eigenschwingungen einlagiger Spulen, Habil. Univ. München 1914 (gedruckt in: Annalen der Physik 43 (1914), 749-797); Zur Theorie der Bandenspektren, Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 21 (1919), 632-643; Beitrag zum Verständnis der magnetischen Erscheinungen in festen Körpern, Physikalische Zs. 21 (1920), 613-615; Über den Bewegungsablauf und die Quantenzustände der gestörten Keplerbewegung, Zs. für Physik 24 (1924), 197-207; Gleichgewicht von Materie und Strahlung in Einsteins geschlossener Welt, Physikalische Zs. 27 (1926), 642-645; Allgemeine Theorie der Verbreiterung von Spektrallinien, Zs. für Physik 80 (1933), 423-427; Eigenwertprobleme der verdünnten Gase, Annalen der Physik 33 (1938), 630-641; Einführungsmathematik für Physiker, Wolfenbüttel-Hannover 1947.

L DBA N.F.; Poggendorff, Bde. V, VI, VIIa (W); A. Sommerfeld, W. L. zum 60. Geburtstag am 8. Februar 1948, Zeitschrift für Naturforschung 3a (1948), 186; Ortwein, W. L. 60 Jahre, Physikalische Blätter 4 (1948), 30-31; P. Jordan, W. L. †, Physikalische Blätter 13 (1957), 269-270; Stephen G. Brush, History of the Lenz-Ising Model, Reviews of Modern Physics 39 (1967), 883-893; A. Hermann, K. v. Meyenn, V. F. Weisskopf (Hg.), Wolfgang Pauli, Wissenschaftlicher Briefwechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg u. a., Bd. 1: 1919-1929, Berlin 1979; H. Rechenberg, W. L., NDB 14 (1985), 236-237; E. Krause, L. Huber, H. Fischer (Hg.), Hochschulalltag im "Dritten Reich", Die Hamburger Universität 1933-1945, Berlin 1991; M. Eckert, Die Atomphysiker. Eine Geschichte der theoretischen Physik am Beispiel der Sommerfeldschule, Braunschweig 1993.

© Freddy Litten
13.7.2023