Max Dingler ‒ Die andere Seite
[ursprünglich erschienen in Literatur in Bayern, Nr. 43, 1996, S. 10-23. Bei Übernahme von Informationen bzw. Interpretationen aus diesem Beitrag bitte vorzugsweise die gedruckte Version zitieren, oder diese unter Angabe von Autor, Titel und vollständigem URL.]
Die Nachrufe und bisherigen Artikel zu Max Dingler zeichnen ein weitgehend einheitliches Bild: Der vielseitig talentierte Naturwissenschaftler und Schriftsteller, der sich besonders mit seiner bayerischen Mundartdichtung einen Platz in der Literaturgeschichte erobert hat; daneben der engagierte Naturschützer.1 Dingler als politischer Mensch wird meist recht kurz abgehandelt, denn die Politik "berührte ihn so gut wie gar nicht".2 Einzig Josef Berlinger schlug in seiner Rundfunk-Sendung über Dingler kritischere Töne an3, die indes kaum Widerhall fanden. Im folgenden Beitrag soll daher das Augenmerk auf die politische Seite und die wissenschaftliche Karriere Dinglers gelenkt werden, wobei vornehmlich unveröffentlichte und bisher meist unbeachtete Dokumente aus verschiedenen Archiven als Quelle dienen.
Am 14. Mai 1883 wurde Max Gottfried Dingler in Landshut geboren. Sein Vater war Reiteroffizier, seine Mutter die Tochter eines Brauereibesitzers und Poststallmeisters aus der Familie Ainmiller. 1902 absolvierte Dingler das Maxgymnasium in München und nahm das Studium an der Universität München auf. In Chemie legte er 1905 das Verbandsexamen ab, 1909 promovierte er in Zoologie bei Theodor Boveri an der Universität Würzburg. Danach war er u.a. Hilfsassistent an der Universität München und unternahm mehrere Studienreisen, so 1913/1914 nach Ägypten und Nubien. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete er sich freiwillig und wurde bald Sektionsführer in einem Kriegslazarett. 1916 kam er zur Feldartillerie, wo er schließlich zum Leutnant der Reserve befördert wurde. Von 1921 bis 1926 war er Assistent bei Karl Escherich, einem Forstzoologen an der Universität München, bei dem er sich 1925 habilitierte. 1926 erhielt er zuerst einen Lehrauftrag, dann eine außeretatmäßige außerordentliche Professur an der Universität Gießen. 1932 gründete er die Kulturgemeinde Murnau (dort hatten seine Großeltern einen Besitz). 1936 kehrte Dingler nach München zurück und wurde (vorerst kommissarisch) Erster Direktor der Wissenschaftlichen Sammlungen des Staates sowie ein Jahr später Honorarprofessor an der Universität München, womit auch seine wissenschaftliche Arbeit im wesentlichen endet. 1945 durch die amerikanische Militärregierung seiner Ämter enthoben, wurde er 1948 in den "Ruhestand" (siehe unten) versetzt. Zu jener Zeit widmete sich Dingler vor allem der Mundartdichtung, Übersetzungen, Kinderbüchern und dem Naturschutz. Er verstarb am 28. Juni 1961.
Wie auf viele seiner Zeitgenossen wirkten auch auf Dingler bestimmte Einflüsse, die heute eher schwer nachvollziehbar erscheinen. So ist noch in seiner Autobiographie "Werden und Reifen", in den 50er Jahren verfaßt, festzustellen, wie sehr er von dem "militaristischen" Geist des Kaiserreichs geprägt wurde. Krieg erschien damals teilweise als "Spiel", und daß Dingler nach seiner Gymnasialzeit untauglich befunden, ebenso später in seiner Würzburger Zeit zurückgestellt wurde, kränkte ihn zutiefst.5 So ist es nicht verwunderlich, daß er, wiederum wie so viele andere, sich bei Kriegsausbruch 1914 freiwillig meldete. Da er einen Krankenpflegekurs absolviert hatte, wurde er einem Kriegslazarett zugeteilt. Obwohl er dort bereits die Schrecken des Krieges erlebte, änderte er aber seine Einstellung zum Krieg offenbar nicht. Nach einem ca. einjährigen Genesungsurlaub, während dessen er sich verheiratete, meldete er sich erneut freiwillig und kam diesmal in ein Feldartillerieregiment. "Diese Waffe hatte mir schon immer gefallen, trugen ihre Jünger doch das schöne Dunkelblau und hatten mit Pferden zu tun! Das erwog ich in kindlicher Freude, als ich auf dem Rad von der Untersuchung in Weilheim nach Murnau zurückfuhr."6 In der Folge wurde Dingler für "kv" (kriegsverwendungsfähig) erklärt und konnte an die Westfront, wo er die schweren Rückzugsgefechte des Jahres 1918 miterlebte.7
Der verlorene Krieg und die nachfolgenden Wirren ließen für viele eine Welt zusammenbrechen. Dinglers Vater starb 1919. Dingler selbst schloß sich einer Einwohnerwehr an. "Fast automatisch", wie er selbst in einer unveröffentlichten Fassung seiner Autobiographie schreibt8, kam er von der "Orgesch" ("Organisation Escherich"), die der Bruder von Karl Escherich, Georg, gegründet hatte, in den Völkischen Offiziersbund (angeblich auch in den Bund Oberland)9 und schließlich in die NSDAP. Daran war wohl auch Karl Escherich nicht unschuldig, der mit seinem Institut Parteiversammlungen besuchte.10 "Hitler ‒ es wäre schmählich, das zu leugnen ‒ faszinierte uns", so Dingler.11 Er engagierte sich in der "Bewegung", gründete mit anderen die Ortsgruppe Murnau der NSDAP und war auch Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer um die 6600).12 Am 15. Dezember 1922 sprach er mit Hitler persönlich "unter vier Augen"13 und gelobte ihm "die Treue in die Hand".14 Und beim "Hitlerputsch" am 8. und 9. November 1923 war auch Dingler in München zu finden, "an seiner Seite".15 Danach bekannte sich Dingler zwar weiterhin zur Hitler-Bewegung16, engagierte sich jedoch nicht mehr so öffentlich, was er nach 1933 folgendermaßen begründete und entschuldigte17:
"Daß ich nach Wiedererrichtung der Partei in den ersten Jahren nicht wieder als Mitglied beigetreten
bin, hängt mit der Arbeitslast, welche meine Berufung an die Universität Giessen mit sich brachte,
sowie einer späteren langwierigen Erkrankung zusammen. In Giessen stand ich der Partei nahe, doch hatte
ich den Wunsch, meine Neuaufnahme in der von mir begründeten Ortsgruppe Murnau zu erwirken. Daß ein
diesbezüglicher Antrag versehentlich nicht berücksichtigt wurde, wird von dem früheren
Ortsgruppenleiter, Pg. Engelbrecht, bestätigt.18 So konnte ich erst,
als ich im Frühjahr 1933 nach Murnau kam, meine Wiederaufnahme in die Partei persönlich
erreichen [offizielles Parteieintrittsdatum: 1.5.193319].
Daß ich mich aber stets, auch während meine Mitgliedschaft ruhte, für die
nationalsozialistische Bewegung eingesetzt habe und ihr Geist stets in meinem Hause gepflegt wurde,
dafür darf ich geltend machen,
1) daß meine 3 Kinder zu guten Nationalsozialisten erzogen wurden und von früher Jugend an,
teils in führenden Stellungen, in den NS-Jugendorganisationen standen,
2) daß meine Frau in der NS Frauenschaft Giessen eifrig tätig war und bis zu unserm Weggang
von Giessen die Ortsgruppe Giessen-Mitte der NS Frauenschaft leitete20,
3) daß ich zu den Hochschulprofessoren gehöre, welche im Jahre 1932 den Aufruf für die
Wahl Adolf Hilters[!] unterzeichneten21,
4) daß ich bereits seit dem 1.12.1932 dem NS-Lehrerbund angehöre22,
5) daß mir 1934 von Pg. Ringshausen im Rahmen der Dozentenschaft Giessen die kulturelle Betreuung der
Arbeitsdienstlager in Oberhessen übertragen wurde."
Hierzu muß allerdings noch angeführt werden, daß solche Erklärungen einen für Dingler gewichtigen Grund hatten. Er war nämlich am 9. März 1931 in Giessen der "Schlaraffia" beigetreten, um "in einer Zeit schwerer geistiger Arbeit hin und wieder eine gewisse Entspannung und heitere Anregung zu finden", nachdem er sich vorher u.a. versichert hatte, daß keine Juden Mitglieder seien oder aufgenommen werden könnten.23 Im August 1933 war er dann ausgetreten, da ihm "bei den neuen ernsten Aufgaben, die an jeden Volksgenossen gestellt wurden, jene Art der leichten Zerstreuung, wie sie dort gepflegt wurde, nicht mehr zusagte.24 Allerdings galt die "Schlaraffia" als Loge (sehr zum Unwillen Dinglers), und die Mitgliedschaft darin war eigentlich mit einer Parteimitgliedschaft unvereinbar. Daraus erwachsene Anfeindungen scheinen auch der Grund dafür gewesen zu sein, daß Dingler 1933 die von ihm gegründete Kulturgemeinde Murnau wieder auflöste.25 Erst im Juli 1934 entschied das Gaugericht München-Oberbayern, daß Dinglers Mitgliedschaft keine Folgen nach sich ziehe.26 Dennoch blieb ein gewisser Makel in seinen Fragebögen, den Dingler zu kompensieren versuchte. Vielleicht auch aus diesem Grund trat er im November 1933 der SA bei, denn er hatte ein bestimmtes Ziel vor Augen, für das sich Parteimitgliedschaft und -beziehungen als sehr nützlich erweisen sollten.
Dingler war unglücklich in Gießen. Nicht nur hatte er Heimweh nach Bayern und fühlte sich von einer großen "Bayernfeindlichkeit" umgeben27, auch die Verhältnisse an der Universität waren nicht so günstig für ihn. Seine Stelle war trotz einer mündlichen Abmachung noch immer nicht etatmäßig ‒ ein entsprechender Antrag war 1932 zwar vom Gesamtsenat der Universität Gießen befürwortet worden, vom zuständigen Ministerium in Darmstadt aber mit Hinweis auf die fehlenden Mittel abgelehnt worden28 ‒ und auch über seine nationalsozialistische Vergangenheit schien man sich nach 1933 nicht im klaren zu sein. Also klärte Dingler den zuständigen Ministerialrat im Hessischen Ministerium für Kultus und Bildungsangelegenheiten auf: "Für mich, der ich seit 11 Jahren zur Bewegung gehöre, der ich seit dieser Zeit ununterbrochen auf der Seite Adolf Hitlers stehe, der ich nach persönlicher Verbindung mit dem Führer im Jahre 1922 die Ortsgruppe Murnau ins Leben rief und zu den Kämpfern des 9. November 1923 gehöre ‒ für mich hat es etwas geradezu Seltsames, mich gegen eine solche Mutmassung erst noch verteidigen zu müssen. Und dies nun gar auf hessischem Boden, also auf dem Boden der Universität, in deren Lehrkörper ich 1926 wohl als erster Nationalsozialist (mit vielleicht einer einzigen Ausnahme)29 eingezogen bin und im Laufe der folgenden Jahre miterleben durfte, wie einer nach dem anderen meiner Kollegen sich zur Fahne Adolf Hitlers bekannte!"30
Aber es waren vielleicht nicht einmal Zweifel an seiner politischen Einstellung, die sein Fortkommen in Gießen hemmten. Am 14. Oktober 1937 schrieb der Rektor der Universität Gießen an den Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München: "Der nichtbeamtete ao. Professor Dr. Max Dingler ist ein Gelehrter, dem bedeutende Fähigkeiten nicht abzusprechen sind. Ebenso verfügt Herr Dingler über einen guten Vortrag und eine gute Lehrbefähigung. Leider war Herr Dingler während seiner Giessener Tätigkeit nicht in der Lage, diese Gaben in vollem Umfang einzusetzen, da er infolge einer schweren Nierenerkrankung und einer starken Schwerhörigkeit häufig beurlaubt werden musste. Gelegentlich konnte sogar die Meinung entstehen, als ob Herr Dingler es an dem nötigen Fleiss und der erforderlichen Pflichttreue bei der Lösung seiner Aufgaben fehlen liesse. Dieses Urteil kann allerdings auch ein Fehlurteil sein, weil der Gesundheitszustand des Herrn Dingler ihn sicherlich stark gehemmt hat. Charakterlich und politisch ist Dingler vollkommen einwandfrei.31
Bedenkt man, daß Dingler während seiner Beurlaubungen in Murnau die Kulturgemeinde führte, ein großes Mundartsprechen organisierte etc., so kann man die Zweifel des Rektors wohl verstehen. Auf der anderen Seite hatte der Senat der Universität Gießen 1932 erklärt, daß Dingler die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt habe.32
Aber Dingler hatte bereits einen Plan gefaßt, der ihn wieder nach München und außerdem auf einen guten Posten bringen sollte. Im Juni 1934 sandte er an das Bayerische Kultusministerium und an den Stab des Stellvertreter des Führers eine Denkschrift über die Reorganisation der Wissenschaftlichen Sammlungen des Staates in Bayern; ein Sofortprogramm und eine weitere Denkschrift folgten.33 Die Leitung der Verwaltung der Wissenschaftlichen Sammlungen des Staates, die z.B. die Sternwarte, den Zoologischen Garten, die botanischen Sammlungen, das Völkerkundemuseum und die Münzsammlung umfaßten, hatte seit langem in Personalunion der Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften inne. Dingler plädierte nun, nicht als erster, für eine Loslösung der Sammlungen und den Aufbau eines Biologischen Museums als Pendant zum Deutschen Museum. Vermutlich da erst wenige Jahre vorher eine entsprechende Überlegung verworfen worden war und eine Neugestaltung Geld kosten würde, das nicht vorhanden war, ignorierte das Kultusministerium das Schreiben aus Gießen. Anders dagegen der Stab des Stellvertreters des Führers. Dort empfand man die Reorganisation (plötzlich) als "brennende Frage" und forderte im Januar 1935 von Kultusminister Schemm Taten. Ein Grund für diese Haltung des Stabes Rudolf Hess mag die sehr konservative und teilweise deutlich antinationalsozialistische Grundeinstellung mehrerer Akademiemitglieder gewesen sein, die der Partei noch lange ein Dorn im Auge sein sollte.34 Eine Trennung bot die Möglichkeit, die Akademie zu schwächen und außerdem einen Parteimann an die Spitze der Verwaltung zu stellen. Und wer bot sich besser an als der Verfasser der Denkschriften: Zoologe, Fachmann für Schädlingsbekämpfung, aus einer Künstlerfamilie (also für museale Arbeit vorgebildet) und alter Kämpfer.
Das Kultusministerium reagierte schließlich und erbat die Dinglerschen Denkschriften (die man ja eigentlich bereits erhalten hatte). Aber Dingler ging alles viel zu langsam: Er wandte sich an Staatsrat Ernst Boepple im Bayerischen Kultusministerium, den er wohl bereits von früher kannte ‒ Boepple war Altparteimitglied und Blutordensträger35 ‒, und an den ihm sicherlich bekannten Ministerialdirektor Theodor Vahlen im Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Eine Besprechung der wichtigsten Beteiligten in München am 28. Mai 1935 (ohne Dingler, der darob sehr empört war, sah er sich doch schon als künftiger Generaldirektor) war im Grunde nur eine Farce, denn die Entscheidung war bereits durch die Einflußnahme der Partei und des Reichsministeriums vorbestimmt: Dingler solle vorerst kommissarisch die Reorganisation planen, die auf jeden Fall kommen werde, die aber nicht zu einer so scharfen Trennung von Sammlungen und Universität führen dürfe, wie Dingler sie sich vorstelle. Außerdem würde er als Direktor berufen, der "diese Sache macht", nicht eigentlich als wissenschaftliche Persönlichkeit, und müsste damit rechnen, wieder nach Gießen zurückgeschickt zu werden, wenn er sich nicht bewähre.36 Doch es kam zu weiteren Verzögerungen. Zuerst mußte ein neuer Präsident der Akademie gewählt bzw. ernannt werden ‒ eine hochpolitische Angelegenheit. Karl Alexander von Müller, ehemaliger Syndikus der Akademie der Wissenschaften und ein Freund Dinglers, machte das Rennen. Dann war da noch die Frage, wie man die neue Stelle des Generaldirektors finanzieren und wie die neue Organisation überhaupt heißen solle. Erst zum 1. Mai 1936 konnte daher Dingler kommissarisch zum "Generaldirektor der Wissenschaftlichen Sammlungen des Landes Bayern" ernannt werden; die Bezahlung erfolgte aus einer eingezogenen Professorenstelle der Universität München und war daher etwas geringer als bei den anderen Generaldirektoren. Allerdings war Dingler nach einer Argumentation des Kultusministeriums gegenüber dem Reichsstatthalter von Bayern noch kein Beamter, sondern erhielt nur Bezüge in Höhe der zu erwartenden späteren Bezüge.37 Jedenfalls meldete sich Dingler in Gießen ab.
In der Folge präsentierte Dingler nun seine Vorschläge zur Reorganisation, die im wesentlichen auch durchgeführt wurden und zu einer Abgabe einiger Institute an die Universität und zur Zusammenfassung der anderen in eine autonome Verwaltung führten, und mit der üblichen bürokratischen Verzögerung konnte er zum 1.6.1937 zum "Ersten Direktor der Staatlichen Sammlungen für Naturkunde in München" (Besoldungsgruppe A 1 c) ernannt werden. Den Titel "Generaldirektor" hatten ihm das Bayerische und das Reichsfinanzministerium verweigert. (Den Verdruß darüber kann man noch in seiner Autobiographie spüren.38) 1940 wurde er Beamter auf Lebenszeit, 1942 in die Besoldungsgruppe A 1 a überführt.39 Warum Dingler dann 1943 in einem Brief an den Gauleiter eine Besprechung wegen seiner "noch nicht völlig geklärten Zuständigkeit" als Erster Direktor erbat, blieb auch dem Kultusministerium ein Rätsel.40
Inzwischen hatte sich aber ein neues Problem ergeben: Mit dem Ausscheiden aus der Universität Gießen hatte Dingler an sich auch seinen Professorentitel verloren. Doch schien er sich mittlerweile der Meinung des Kultusministeriums und der Universität angeschlossen zu haben, daß Verbindungen zwischen Sammlungen und Universität durchaus wünschenswert seien, denn fast alle ihm unterstellten Beamten bis zum Konservator, wie er am 1. September 1937 dem Bayerischen Kultusministerium mitteilte, waren Professoren, er selbst war immerhin auch bereits 10 Jahre ao. Professor gewesen, also möge doch das Kultusministerium dafür sorgen, daß er weiterhin Titel und Rechte (Pflichten erwähnt er nicht) eines Professors in Anspruch nehmen könne.41
Daraufhin beschloß man im Kultusministerium, Dingler zum Honorarprofessor an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München zu ernennen, und bat den Dekan dieser Fakultät (den Botaniker Friedrich von Faber), Erkundigungen einzuholen.42 Die erste Antwort traf am 6. Oktober von Dinglers ehemaligem Lehrer Karl von Escherich (der an der Staatswirtschaftlichen Fakultät lehrte) ein: Dinglers Arbeiten erreichten "im allgemeinen höchstens den Durchschnitt", von daher sei eine Ernennung zum Honorarprofessor kaum zu vertreten. Außerdem würde die Vorlesungspflicht eines Honorarprofessors eine starke Belastung für Dingler bedeuten, die ihn beim Aufbau des Biologischen Museums behindern würde.
Zwei Tage später äußerte sich der Zoologe Karl von Frisch: In Dinglers Untersuchungen zur Schädlingsbekämpfung sei "manche hübsche biologische Beobachtung enthalten, aber kein grosser neuer Gedanke. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass der Schädlingsbekämpfung durch Dinglers Arbeiten neue Wege gewiesen wurden. Doch würde ich Ihnen empfehlen, zu dieser Frage noch Herrn Geheimrat Escherich, der ja auf diesem Gebiet ein in aller Welt anerkannter Fachmann ist, um sein Urteil zu bitten." Auch die sonstigen biologischen Arbeiten behandelten eher "Gelegenheitsbeobachtungen". Er plädiere gegen eine Honorarprofessur für Dingler.
Nachdem der bereits oben zitierte Brief des Rektors der Universität Gießen vom 14. Oktober eingelaufen war, meldete sich auch die Dozentenschaft der Universität München in der Person ihres Leiters, des Zoologen und Altparteimitglieds Ernst Bergdolt, zu Wort. Obwohl Bergdolt jedoch die "ausgedehnte wissenschaftliche Tätigkeit" Dinglers als Entomologe ‒ vor seiner Ernennung als "Generaldirektor" ‒ hervorhebt und natürlich Dinglers Status als Altparteigenosse, erscheint sein Gutachten merkwürdig unverbindlich, denn es findet sich keine explizite Befürwortung einer Honorarprofessur.
In ihrer Sitzung vom 11. November 1937 behandelte die Fakultät als ersten Tagesordnungspunkt die Honorarprofessur Dingler. Ein Teil der anwesenden Professoren war gegen eine Honorarprofessur für Dingler, da seine wissenschaftlichen Leistungen dafür nicht ausreichten und eine Verbindung zu den Wissenschaftlichen Sammlungen auch anders gewährleistet werden könnte. Die anderen Professoren hielten sich weitgehend bedeckt. Einzig der Vertreter der Dozentenschaft, der Astronom Bruno Thüring, wies darauf hin, daß "die politischen Interessen allein massgeblich sein sollten, dass die Fakultät zwar bemerken solle, dass ein sachliches Bedürfnis für die Professur Dingler nicht vorliege, dass jedoch unter den gegebenen Verhältnissen die Fakultät die Honorarprofessur Dingler absolut befürworte." Dagegen sprachen sich wiederum die Professoren aus, da man nichts von politischen Gründen bei der Berufung Dinglers wisse.43 Der Dekan meldete dann am 22. November [korrigiert gegenüber der Druckfassung] 1937 an den Rektor44:
"Ein rein sachliches Bedürfnis für eine Honorarprofessur Dingler liegt für die
Fakultät nicht vor. Dr. Dingler ist Forstzoologe, speziell Forstentomologe, ein Fachgebiet für
das in der naturwissenschaftlichen Fakultät gar kein Bedürfnis vorhanden, obendrein in der
staatswirtschaftlichen Fakultät durch Geheimrat Escherich glänzend vertreten ist.
Auch sind die wissenschaftlichen Arbeiten von Dr. Dingler, laut Urteil von Sachverständigen, nicht
der Art, dass aus Gründen einer Ehrung die Verleihung einer Honorarprofessur an Dr. Dingler von der
Fakultät befürwortet werden kann.
Die Fakultät ist sich aber bewusst, dass ausser den hier erwähnten rein sachlichen
Gründen es auch noch andere gibt, die eine Ernennung von Dr. Dingler zum Honorarprofessor durchaus
rechtfertigen. Es wäre denkbar, dass durch eine derartige Honorarprofessur enge Beziehungen zwischen
Fakultät und naturwissenschaftliche[!] Staatssammlungen angebahnt werden, die für die
Fakultät und Universität sehr wünschenswert sind. In diesem Fall befürwortet die
Fakultät eine Honorarprofessur Dingler wärmstens."
Der Rektor, der Geologe Leopold Kölbl, schloß sich am 25. November [korrigiert gegenüber der Druckfassung] 1937 dem Schreiben des Dekans nicht an, denn er hielt es für eine Ablehnung der Honorarprofessur Dingler. Er befürwortete die Ernennung Dinglers, da es ihm "äußerst wünschenswert" erschien, die Verbindung zwischen den Sammlungen und der Universität zu erhalten. Außerdem verwies Kölbl auf die Tatsache, daß mehrere Wissenschaftler der Sammlungen gleichzeitig Dozenten der Universität waren, so daß auch der Leiter der Sammlungen der Universität angehören sollte.
Am 17. März 1938 sprach schließlich das Reichsministerium die Ernennung Dinglers zum Honorarprofessor auf die Dauer einer nichtbeamteten Lehrtätigkeit an einer deutschen Hochschule aus.45 Obwohl also eigentlich niemand der Meinung gewesen war, daß Dinglers Leistungen für eine Honorarprofessur ausreichten, und obwohl die vorgebrachte Argumentation teilweise recht zweifelhaft erscheint ‒ eine Verbindung zwischen Universität und Sammlungen war ja durch die nicht wenigen Beamten der Sammlungen, die gleichzeitig Dozenten der Universität waren, ohnehin gegeben; ganz abgesehen davon, daß die eigentliche Intention der Reorganisation gewesen war, eine gewisse Eigenständigkeit der Sammlungen zu erreichen ‒ hatte er schließlich seine Ehrung erhalten. Interessant ist, daß Bergdolt und vor allem Thüring ein politisches Element in die Diskussion einbrachten, das allerdings in den weiteren schriftlichen Unterlagen keine Rolle mehr spielt.
Eigentlich hätte Dingler jetzt zufrieden sein können, auch wenn mit diesem "dornenreiche [n] Amt [...] die Rückkehr in die Heimat teuer erkauft war", hätte es nicht "Neid und Anfeindungen aus namenlosen Quellen" gegeben.46 Einer dieser Fälle wurde Anfang Juni 1939 aktenkundig.47 Ein anonymer Witzbold, des Schreibmaschinetippens dem Anschein nach nicht gänzlich mächtig, hatte an verschiedene Stellen folgendes Schreiben gesandt:
"Wiweviel,[!] Urlaub hat ein 'Generaldirektor' der von der Schlaraffia zum Ritter
geschlagen wurde?
1 1/2 Monate als 'Generaldirktor'[!] (der er nicht ist)
4 Monate als Universitätsprofessor (der nie liest)
1 Monat zur Heilung seiner Schwerhörigkeit (die unheilbar ist)
1 Monat zur Heilung seiner Bronchitis (die nie besser wird)
1 Monat zur Besorgung seiner Häuser in Murnau und im Isartal und zu seinen zahlreichen
Finanz- und Familiengeschäften
1 Monat zur Verfertigung schlechter oberbayerischer Verse, die noch etwas Nebenverdienst neben dem
mühsam verdienten Gehalt einbringen
1 Monat zu einer Vergnügungsreise nach Italien
1/2 Monate zur Ausspannung auf dem Predigtstuhl
Sa 11 Monate
Der verbleibende 1 ‒ in Worten; eine ‒ Monat wird mit aufopfernder Arbeit für den Staat dem
Amt gewidmet, für das 12 Monate Gehalt gezahlt werden. Jeden Tag von 11 - 1 Uhr im Büro,
jeden Nachmittag von 3 - 6 zuhause auf dem Divan beim Nachmittagsschlaf.
Eine Kontrolle durch das Ministerium ist ausgeschlossen.
Wer es sieht, staunt und bewundert und ruft;
Es lebe die Schlaraffia!"
Da dieses Schreiben auch an das Kultusministerium gesandt worden war, mußte Dingler Stellung nehmen. Die Aktennotiz eines Ministerialbeamten lautete:
"Er erklärte
zu 1) seinen Jahresurlaub noch niemals voll in Anspruch genommen zu haben; die Bezeichnung
'Generaldirektor' nehme er für sich nicht in Anspruch, er könne aber nicht verhindern,
wenn dritte ihm gegenüber diese von früher eingebürgerte Anrede gebrauchen
zu 2) seine Vorlesungen als Honorarprofessor seien trotz Ankündigung wegen mangelnder
Beteiligung nicht zustande gekommen48
zu 3) wegen Schwerhörigkeit habe er keinen Urlaub in Anspruch genommen
zu 4) hier handle es sich um eine Erkrankung 1938, die er dienstlich gemeldet habe
zu 5) er habe ein kleines Haus in Murnau, keines im Isartal
zu 6) er habe einen kleinen Gedichtband veröffentlicht49
zu 7) die Zeit seines ordentl. Jahresurlaubs, den er kürzlich eingebracht habe, habe er zu
einem Aufenthalt in Italien benutzt
zu 8) auf dem Predigtstuhl habe er einige Tage auf Rat seines Arztes zur Heilung einer Grippekrankheit
verbracht
zu 9) die Angaben über seine Dienstzeiten, die er auf dem Büro verbringe, seien unwahr."
Ganz ohne Verwarnung seitens des Ministeriums kam Dingler jedoch nicht davon. Es war daher fast schon seine Pflicht, Anzeige gegen Unbekannt wegen Verleumdung zu erstatten. Die Ermittlungen der Polizei ergaben indes nichts.
Die folgenden Jahre scheinen für Dingler einigermaßen ruhig verlaufen zu sein, sieht man davon ab, daß er weiterhin häufig erkrankte bzw. Sonderurlaub für Forschungen im Murnauer Moos oder "aus Anlaß des Heldentodes eines nahen Verwandten" nahm.50 Erfolge im Aufbau des Biologischen Museums konnte Dingler nicht vorweisen, doch dürften hier die Kriegsverhältnisse tatsächlich größere Fortschritte verhindert haben. Erst die letzten Kriegsjahre brachten wieder erhebliche Unruhe in seine Tätigkeit als Erster Direktor, aber auch in sein Privatleben.
1940 war Dinglers berühmter Gedichtband "Das Bairisch Herz" erschienen, mit einem Vorwort Kurt Hubers. Die Verhaftung Hubers im Zuge der Vorfälle um die "Weiße Rose" wenige Monate vor Dinglers 60. Geburtstag soll beinahe zu einem Verbot der Geburtstagsfeier geführt haben.51 Immerhin erschien dann doch ein Geburtstagsartikel im Völkischen Beobachter, für den Dingler ja des öfteren geschrieben hatte.52
Die zunehmenden Bombenangriffe auf München nötigten zur Auslagerung des Sammlungsgutes, soweit dies ohne weitere Beeinträchtigung des Lehrbetriebs möglich war. Dingler rief nach der Vernichtung seiner Wohnung in Schwabing, in der wegen früherer Bombenschäden bereits die Verwaltung untergebracht worden war, im Juli 1944 die Sammlungsdirektoren auf, Vorschläge zur Verlegung zu machen.53 Dies ist bemerkenswert, weil anscheinend einer der Direktoren eine Verlegung seiner Sammlung zu verhindern suchte, da solche Handlungen defaitistisch seien.54 Dingler jedenfalls zog sich nach Murnau zurück und unterstützte die Auslagerungen der Sammlungen, war allerdings direkt bei Kriegsende wieder einmal erkrankt.
Ein schwerer Schlag ereilte ihn Ende Oktober 1944: Sein ältester Sohn Peter war gefallen. Ob es allerdings nötig war, eine Todesanzeige im Völkischen Beobachter unter der Rubrik "Für Führer, Volk und Vaterland starben den Heldentod ..." zu veröffentlichen, sei dahingestellt.55 Aber noch im Oktober 1944 hatte Dingler ja zu einer geplanten (Wieder-) Vereinigung der Sammlungen mit der Akademie oder der Universität gemeint, man dürfe dem Willen des Führers nicht zuwiderhandeln.56
Bereits im Juli 1945 (die meisten Entlassungen an der Universität München erfolgten erst einige Monate später) wurde Dingler im Auftrag der amerikanischen Militärregierung als Honorarprofessor (12.7., 31.7.) und als Erster Direktor (12.7., 14.7.) entlassen, wenngleich er von der Militärregierung vorübergehend auch mit der Betreuung der in der Umgebung von Murnau untergebrachten entomologischen Sammlung beauftragt war.57 Damit war der Tiefpunkt seiner Karriere erreicht.
Seinen Gefühlen machte Dingler 1945 in hochdeutschen Gedichten Luft; Gedichte, die nie veröffentlicht wurden.58 "In Trauer und Schmach" benannte er diesen Zyklus, der jedoch gerade zu Beginn eher von gekränkter Eitelkeit, Enttäuschung und Wut geprägt ist. Hier werden die Amerikaner als "Vampire" bezeichnet, die "lang das Blut aus unsern Adern sog[en]"; die "deutschen Mädchen und die Frauen" seien zu "feilen Huren" geworden; überhaupt sind die Deutschen "kein Volk der Ehre, Nur Gemisch von schlechtem Samen" und, getreu der Meinung Hitlers, gingen sie denn auch verdient unter. Nur Dingler ist natürlich anders: "Gegen solche Mißgestalten / Will ich mich nicht Bruder nennen."59
Dinglers Antiamerikanismus, der hier deutlich wird, beruht u.a. auf gewissen Übergriffen, die offenbar gegen seinen Besitz in Murnau vorkamen und aus denen er schnell die Unkultiviertheit der Amerikaner im Vergleich zu den Deutschen ableitet. Zwar findet man auch einige Hinweise auf Gestapo und Judenverfolgung, doch verblassen sie gegenüber dieser persönlichen Erfahrung. Vor allem aber geht es Dingler um die Treue und ihren Verlust: "Verrat und Untergang an allen Enden, Wo einst der Treue sichre Heimstatt war!"60
Wie alle Erwachsenen in Bayern mußte Dingler einen Meldebogen ausfüllen, allein schon um Lebensmittelkarten zu erhalten.61 An Mitgliedschaften gab er an: NSDAP seit Mai 1933, Mitgliedsnummer über 3700000; SA-Reserve von Mai 1933 bis 1943 (im Großen Fragebogen vom 20. Juli 1946: bis 1944) mit dem Rang eines Oberscharführers (nur Titel) von 1938? bis 1943; NSD-Dozentenbund seit 1937; NS-Kriegsopferversorgung seit 1935?; sowie Reichsbund Deutscher Beamten seit 1937 (im Großen Fragebogen: seit 1933?). Unter Frage 13 "In welche Gruppe des Gesetzes [vom 5.3.1946 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus] gliedern Sie sich ein?", schrieb er: "4. Mitläufer". Im Großen Fragebogen (mit 131 Fragen) kamen noch der Reichskolonialbund seit 1937? und der Volksbund für das Deutschtum im Ausland seit 1936? hinzu. Auffällig ist, daß Dingler unter Frage 108 "Welche politische Partei haben Sie in der Novemberwahl 1932 gewählt? ein Fragezeichen einträgt, unter 109 "Und im März 1933?" dagegen die NSDAP.
Gleichzeitig mit dem Großen Fragebogen sandte Dingler auch eine Erklärung an die Spruchkammer Weilheim, zusammen mit sechs eidesstattlichen Erklärungen. Hier erwähnt er, daß er mit den Männern, die die Ortsgruppe Murnau der NSDAP gegründet hatten, befreundet gewesen sei und ihrer Sache auch positiv gegenübergestanden habe, ohne der Partei angehört zu haben. Den 9. November 1923 habe er als Angehöriger einer Artillerievereinigung in einem Schulhaus rechts der Isar verbracht. Als Begründung, warum er die Hitler-Bewegung positiv beurteilt habe, nennt er zwei Gründe, die sich später auch im unveröffentlichten Manuskript seiner Memoiren finden: die Versprechen Hitlers, Deutschland auf friedlichem Wege wieder groß zu machen und ein föderalistisches Deutschland zu schaffen, kein unitaristisches.62 Im Mai 1933 sei er der Partei beigetreten, nachdem bereits ein nationalsozialistischer Staat geschaffen und vom Ausland anerkannt gewesen sei; in die SA sei er auf Anraten von Freunden eingetreten, ohne wirklich "Dienst" gemacht zu haben, 1944 sei er ausgetreten. Die Berufung als Erster Direktor habe er seinen wissenschaftlichen Leistungen zu verdanken gehabt sowie der Herkunft aus der Münchner Künstlerfamilie Ainmiller. In dieser Tätigkeit habe er ohne Unterschied der Parteizugehörigkeit Mitarbeiter gefördert, außerdem seinen jüdischen und halbjüdischen Freunden die Treue gehalten, trotz aller möglichen Verdächtigungen und Bespitzelungen, die er indes wegen der vernichteten Unterlagen nicht mehr belegen könne. Auch durch seine Kulturarbeit in Murnau und sein Buch "Das Bairisch Herz" habe er Schwierigkeiten mit der Partei gehabt. Zum Schluß schreibt er:
"Ich habe, ebenso wie meine Frau, stets nur aus idealen Gründen mich für eine Sache eingesetzt, die wir für menschlich gut und segensreich hielten und an die wir glaubten, trotz aller uns daraus erwachsenden Nachteile. Von all den Verbrechen, die wir später erfuhren und aufs tiefste verabscheuen, wussten wir nichts oder hielten etwa durchdringende Gerüchte für tendenziöse Entstellungen. Da wir nur unserer Ueberzeugung von einer guten Sache gefolgt sind und so das Opfer einer schliesslich ins Verbrecherische und Unmenschliche ausgearteten Gewalt geworden sind, dürfen wir uns mit bestem Gewissen als 'Mitläufer' bezeichnen."
Die beigefügten eidesstattlichen Erklärungen zeichnen ein ähnliches Bild. So erklärt der Regierungspräsident von Oberbayern Ludwig Osthelder: "Ich habe Herrn Professor Dingler während der ganzen Zeit unserer Bekanntschaft [seit fast 40 Jahren] als einen Menschen von seltener Anständigkeit der Gesinnung kennengelernt, der in allen seinen Äusserungen und Handlungen niemals auch nur eine Spur von nationalsozialistischer Ideologie erkennen ließ."
Ein halbjüdischer Kunstmaler, dem wegen seiner Abstammung die Berufsausübung verboten worden war, bestätigte Dingler, den er seit etwa 30 Jahren kenne: "Er hat sich in den Jahren, als ich von der Partei verfolgt wurde, oft scharf darüber ausgesprochen, welche Ungerechtigkeiten ich zu erdulden hatte, und hat sich in der Zeit, da viele Menschen sich von mir zurückzogen, soviel er nur konnte, für mich eingesetzt. [...] Herr Professor Max Dingler hat sich mir gegenüber oft entrüstet über Maßnahmen der Partei geäußert, der er sich einst in gutem Glauben angeschlossen hatte. Er war auch meines Wissens niemals aktiv für die Partei tätig. Ich halte ihn für einen der 'hereingefallenen Idealisten'."
Auch die Witwe Kurt Hubers, Clara, fand positive Worte über Dingler, ebenso der 1. Bürgermeister von Murnau, der auf die Probleme Dinglers mit den Nationalsozialisten in Zusammenhang mit der Kulturgemeinde Murnau einging.
Im April 1947 sandte Dingler weitere Erklärungen ein, die vom Oktober und November 1946 stammten. Zuerst legte er selbst dar, daß er niemals während seiner Amtstätigkeit Beförderungen aus politischen Gründen ausgesprochen hätte. Die beiden angeführten Beispiele von Beförderungen zu Abteilungsdirektoren sind indes etwas unglücklich, da der eine genannte Konservator (Edgar Dacqué, von seiner Witwe gibt es ebenfalls eine Erklärung63) in wissenschaftlichen Kreisen nicht unumstritten und der andere (Bergdolt) eben Altparteigenosse war (wenngleich seine Beförderung deswegen noch nicht unverdient gewesen sein muß).
Eine weitere Erklärung stammte von dem Naturschutzbeauftragten, Rechtsanwalt und fürstlichen Domänenrat a.D. Hans Kobler64, der ebenfalls Dingler zu jenen Idealisten zählte, "die sich verhältnismäßig frühzeitig der Bewegung angeschlossen hatten, dann aber von der Regierungspraxis bitter enttäuscht waren; mit Rücksicht auf Bindungen verschiedener Art, bei Herrn Dingler wohl überwiegend aus einer übersteigerten Treueauffassung heraus, scheuten sie sich, die Konsequenzen aus der Erfahrung zu ziehen."
Erwähnenswert ist schließlich noch die Erklärung des Professors an der Akademie der Schönen Künste Fritz Skell:
"Ich kenne Herrn Professor Dr. Dingler seit mehr als 40 Jahren und bin mit ihm seither ununterbrochen
in Freundschaft und gemeinsamnen[!] wissenschaftlichen und sammlerischen Interessen verbunden. [...]
Desgleichen habe ich auf gemeinsam besuchten Sitzungen, Vortraegen und Gesellschaften, sowie auf den
Entomologenkongressen nie bemerkt, dass er dabei irgendwie besonders im Sinne der Partei oder
militaristisch gesprochen oder sich in aehnlicher Weise hervorgethan haette, wie man dies sonst in der
Zeit des Regimes selbst bei den unpassendsten Gelegenheiten von den Vortragenden immer wieder erleben
musste. [...] Wir haben uns [...] stets so gut verstanden, dass ich es bis zum heutigen Tage nicht zu
erklaeren vermag, wie er gerade bei seiner urbayerischen Einstellung zu dem wesens- und gesinnungsfremden
Nationalsozialismus gekommen sein konnte. Ich bin nur aus gelegentlichen Aeusserungen seinerseits zu
der Annahme gelangt, dass sein grosser Idealismus einerseits und seine Stellung in den bayerischen
Staatssammlungen, sowie seine damit verbundenen grossen Sorgen andererseits, allein die Hauptursache
bilden koennten.
Schließlich moechte ich noch anfuehren, dass ich bei Herrn Professor Dingler niemals ein
oeffentlich zur Schau getragenes nationalsozialistisches Gebahren oder eine solche Aufmachung
beobachtet habe."
Am 10. Dezember 1946 legte der Vorprüfungsausschuß Weilheim sein Gutachten über Dingler
vor. "Der Betroffene ist zweifellos aus rein idealen Gründen und im guten Glauben an die
Friedensbeteuerungen der NSDAP und an die Wahrung der bayerischen Belange der Bewegung beigetreten. Er
hat sich nach den vorgelegten Bestätigungen und nach den Aussagen von Mitgliedern des
Vorprüfungsausschusses, denen er persönlich bekannt ist, von jeder Aktivität für
die Partei ferngehalten. Er hat es bei seiner ehrlichen sozialen Einstellung streng vermieden, auf
seine Untergebenen in politischer Hinsicht irgend einen Druck auszuüben. Insbesondere hat er bei
der Anstellung seiner Mitarbeiter keinen Unterschied zwischen Pg. und Nicht-Pg. gemacht. Er hat auch
seinen jüdischen Freunden in der Notzeit die Treue gehalten.
Es kann daraus geschlossen werden, daß der Betroffene am Nationalsozialismus nicht mehr als
nominell teilgenommen bezw. ihn nur unwesentlich unterstützt hat."
Zu diesem Schluß kam der Vorprüfungsausschuß allein aufgrund der Unterlagen, die Dingler beibrachte, und der persönlichen Bekanntschaft. Von den Parteiaktivitäten vor 1933 ist nichts in dem Gutachten enthalten, ebensowenig wurde seine Darstellung der Verhältnisse an den Wissenschaftlichen Sammlungen unabhängig überprüft. Auf der anderen Seite war dem Ausschuss auch nicht bekannt, daß Dingler Anfang 1942 eine Eingabe der Münchner Zoologen an das Reichswissenschaftsministerium für den als "Mischling zweiten Grades" von der Entlassung bedrohten Karl von Frisch unterschrieben hatte ‒ keine herausragende, aber doch eine positive Tat.65
Im Januar 1947 versandte der öffentliche Kläger der Spruchkammer Weilheim Arbeitsblätter an verschiedene, im wesentlichen vorbestimmte Stellen, um Auskünfte über Dingler zu erhalten. ‒ Auskunft des Bürgermeisters von Murnau: "Dingler war wohl ein langjähriges Mitglied der Partei[,] ist aber nie aktiv hervorgetreten. Dingler hat sich nur mit seinen naturwissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt und lebte hier zurückgezogen.[!] nur für sich und seine Familie."
Auskunft der Polizei Murnau: "Dr. Dingler Max ist am 1.1.0.44[!] von München kommend in Murnau zugezogen. Er war ein ergebener Nazi und hat deren Wünsche respektiert. Sein hauptsächliches Tätigkeitsgebiet dürfte München gewesen sein. In strafrechtlicher Hinsicht keine Vorgänge."
Auskunft des Ausschusses der politischen Parteien: "Dr. Dingler gehört zu jener Gruppe Intellektuellen, die sich sofort mit Beginn des Naziregimes, voll und ganz Hitler verschrieben haben. Kritiklos stand er den Machenschaften der Nazis gegenüber bis ihm[!] die Besatzungstruppen aus dem Hitlerwahn wach rüttelten. Seine Nazitätigkeit spielte sich überwiegend in München ab. Ob er Vorteile daraus gezogen hat wissen wir nicht."
Auskunft Special Branch Civil Service Records: "NSDAP 1.5.33 Nr. 3208137, SA, NSDOZ/NSV/RDB/NSKOV, RLB/VDA/RKB/RKK/DRK66, Reichsb(und) f(ür) Dolmetscherwesen, NSDAP 1922 Nr. 6600, NSDAP 1933 Nr. 3208137, SA Obertruppführer [zwei Stufen über dem Oberscharführer]."
Vor allem die letzte Auskunft, aus der Dinglers frühe Parteimitgliedschaft hervorging, veranlaßte den öffentlichen Kläger im Juli 1947, weitere Auskünfte über Dingler in Gießen und München einzuholen, die dann allerdings nichts Neues erbrachten. Im März 1947 hatte er bereits die Staatsanwaltschaft München II über die Meldebogenfälschung informiert.
In der Klageschrift vom 1. April 1948 beantragte der öffentliche Kläger dann die Einreihung Dinglers in die Gruppe III der Minderbelasteten (eine Bewährungsgruppe, aus der man nach einer gewissen Zeit entweder herauf- oder, in den meisten Fällen, herabgestuft, d.h. als Mitläufer in Gruppe IV eingereiht wurde.) Wie der Kläger bemerkt, hatte Dingler vorgebracht, 1922 einen unverbindlichen Ausweis vom Ortsgruppenleiter erhalten zu haben "mit der ausdrücklichen Erklärung, daß dies keine Aufnahme in die Partei darstelle". Da es für die Einstufung belanglos sei, ob Dingler 1922 oder 1933 in die Partei eingetreten war, ebenso, ob er Oberscharführer oder Obertruppführer in der SA gewesen sei, und da weiter keine Belege für eine individuelle Verantwortlichkeit vorlägen, andererseits Dingler aber seit sehr früher Zeit bis zum Schluß "widerstandslos" Mitglied der Partei gewesen sei, beantrage er diese Einstufung nebst einer entsprechenden Sühne.
Theoretisch hätte der öffentliche Kläger trotz der Nominalbelastung nach Klasse II der "Liste" zum Gesetz vom 5.3.1946 (Mitgliedschaft in der NSDAP vor dem 1.5.1937; da Dingler glaubhaft versichern konnte, in der SA nie Dienst getan zu haben, war seine SA-Mitgliedschaft keine Belastung) auch die Einstufung Dinglers in die Gruppe IV der Mitläufer beantragen können. Ob dies nicht geschah, weil man tatsächlich eine "Bewährungsfrist" für Dingler wünschte, oder ob man eine Vorlage des Falles bei der amerikanischen Militärregierung vor der Entscheidung durch die Spruchkammer scheute, die Art. 33 Abs. 4 des Gesetzes vom 5.3.1946 vorschrieb, ist unklar. Ein anderer öffentlicher Kläger hatte jedenfalls schon am 27. Januar 1948 dem Landrat von Weilheim mitgeteilt, daß vermutlich eine Einstufung in Gruppe IV herauskommen würde.
Die Spruchkammer Weilheim entschied am 12. April 1948 in schriftlichem Verfahren, daß Dingler in die Gruppe IV der Mitläufer einzureihen sei und daß ihm eine Sühne von RM 500,- (RM 2000,- war das Maximum) auferlegt werde. Die Kosten des Verfahrens wurden nach einer feststehenden Formel aus dem Streitwert (dem Vermögen des Betroffenen) berechnet und beliefen sich auf RM 11400,-!
Daß der Spruch leichter ausfiel, als in der Klageschrift beantragt, begründete die Kammer mit Dinglers Mitgliedschaft in der "Schlaraffia" (die ja als Loge bei den Nationalsozialisten verpönt gewesen war) und seinem Kontakt mit Gegnern der Partei (den Verfassern bzw. Ehemännern der Verfasserinnen der Erklärungen). Ansonsten übernahm man fast wörtlich die Ausführungen des öffentlichen Klägers.
Dingler akzeptierte am 2. Mai 1948 die Einstufung, nicht aber die Kosten des Verfahrens. Er versuchte, unter Vorlegung eines anderen Vermögenssteuerbescheides und weiterer Angaben zu Einkommensverhältnissen etc. die Kosten auf RM 900,- zu drücken. Dem folgte die Kammer jedoch nicht in vollem Umfang, so daß schließlich kurz vor der Währungsreform Kosten von RM 2000,- festgesetzt wurden.
Es blieb also nur das Verfahren wegen Meldebogenfälschung, das indes im Oktober 1948 eingestellt wurde, da die Angaben für den Spruch ja ohne Belang gewesen waren.
Festzustellen ist, daß das Verfahren gegen Dingler auf unzureichenden Unterlagen basierte. Weder die Universität noch vor allem das Bayerische Kultusministerium wurden gehört (und die Wissenschaftlichen Sammlungen nur durch eidesstattliche Erklärungen, die Dingler vermittelte), außerdem wurde Dinglers Verhalten 1922/23 nicht untersucht. Ohne Kenntnis dieser Punkte liegt eine Einstufung in Gruppe IV vom Gesetz her noch am Rande des Akzeptablen (und vollkommen im Bereich des Üblichen), obwohl die doch nicht wenigen Mitgliedschaften Dinglers, wie sie in der Auskunft der "Special Branch" und im Fragebogen deutlich werden67, und die sehr frühe Mitgliedschaft mit der gesetzlichen Definition des "Mitläufers" zu kollidieren scheinen. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob selbst in Kenntnis der oben geschilderten Verhältnisse der Spruch anders ausgesehen hätte.
Am 31. Mai 1948 verständigte Dingler das Bayerische Kultusministerium von seiner Einstufung als Mitläufer und beantragte seine Versetzung in den Ruhestand, einen Ausgleich für die Gehaltseinbuße der vergangenen drei Jahre sowie die Wiederaufnahme in den Lehrkörper der Universität München (die beiden letzten Punkte finden dann keine Erwähnung mehr).68 Auf die Mitteilung des Kultusministeriums hin, den Dienstweg einzuhalten, beantragte er am 3. Juli 1948 über die Verwaltung der Wissenschaftlichen Sammlungen beim Kultusministerium die Wiederberufung in das Beamtenverhältnis unter gleichzeitiger Ruhestandsversetzung, da er inzwischen 65 Jahre alt geworden war.69 In den folgenden Monaten ergab sich nichts, also richtete er am 28. Oktober 1948 einen Antrag an das Finanzministerium, ihm einen Vorschuß auf das zu erwartende Ruhestandsgehalt zu gewähren.70
Zunächst hörte Dingler allerdings wieder vom Kultusministerium. Mit Entschließung vom 10. November 1948 wurde Dingler die Wiedereinstellung in das Beamtenverhältnis unter gleichzeitiger Ruhestandsversetzung "in Anbetracht der politischen Belastung" verweigert (auch als "Mitläufer" hatte Dingler kein Recht auf Wiedereinstellung). Dagegen sollte er mit Wirkung vom 1. Juli 1948 Versorgungsbezüge in Höhe von 60% der seinem Besoldungsdienstalter entsprechenden Konservatorenbezüge (A 2 c 2) erhalten. Die Ernennung zum Ersten Direktor blieb ausdrücklich unberücksichtigt, "weil Prof. Dingler sie vorwiegend seiner Zugehörigkeit zur NSDAP verdankt[e]".71
Erst am 7. März 1949 erhob Dingler gegen diese Regelung Einspruch beim Kultusministerium. Als Begründung führte er an:
"1. Nicht meiner Zugehörigkeit zur NSDAP hatte ich meine Ernennung zum Ersten Direktor zu danken; es waren schon vielmehr vor der NS-Zeit Bestrebungen im Gange, den Wissenschaftlichen Staatssammlungen die wünschenswerte fachmännische Leitung zu geben und dafür eine Persönlichkeit zu wählen, die dem Münchner Kulturleben entstammt und Gewähr dafür bietet, daß die Angelegenheit des dringend nötigen Neubaus eines Naturwissenschaftlichen Museums im Sinne der Münchner Tradition gelöst werde. Damals schon war man an mich herangetreten mit der Frage, ob ich bereit wäre, dieses Amt zu übernehmen. Die Männer, die sich für meine Berufung einsetzten und für die meine wissenschaftliche und künstlerische Tätigkeit und die enge Verwurzelung mit dem Geistesleben meiner Heimatstadt maßgebend war, sind heute nicht mehr am Leben. In erster Linie ist hier Professor P. N. Coßmann zu nennen, der als Jude später dem ns. Regime zum Opfer fiel, sodann später Professor Dr. Kurt Huber, dessen gleiches Schicksal allgemein bekannt ist.
2. Ich bin also nicht als Pg für den Posten ausersehen worden, sondern, nicht zuletzt auf Zureden jener Freunde, die darin die Voraussetzung für meine Berufung sahen, im Mai 1933 in die Partei eingetreten, ohne jemals irgend ein Amt in ihr zu übernehmen. Der Umstand, daß späterhin gelegentlich ein wohlmeinender Freund in der Absicht, meine Berufung zu sichern, meine Parteizugehörigkeit besonders herausstellte, machte es für solche, die diesen Wunsch nicht teilten, bequem, mich zur Nazikreatur zu stempeln. Das hinderte aber nicht, daß gleichwohl eine Flut von anonymen Verdächtigungen , die mich umgekehrt bei der Partei verdächtigen sollten, sich über mich ergoß, ohne mich in der Einhaltung meines geraden Weges irre zu machen.
3. Im Jahre 1936 erfolgte meine Berufung von Gießen nach München, der ich nicht ohne Bedenken Folge leistete, bedeutete doch die Annahme dieser für mich das Aufgeben der rein wissenschaftlichen Tätigkeit und des akademischen Lehrberufs. Die ‒ mir neuerdings zugetragene ‒ Behauptung, ich sei durch meinen Gießener Lehrauftrag bereits auf ein totes Geleise geschoben worden und hätte ohne die Partei auf keine weitere wissenschaftliche Karriere rechnen können, widerlegt sich allein schon durch die beiden Tatsachen, daß a) der Ausbau meines Gießener Lehrauftrags für forstliche und landwirtschaftliche Zoologie zur etatmäßigen Professur (der auch alsbald erfolgte) mir von der Hessischen Regierung bereits zugesagt bezw. angeboten war, b) daß gleichzeitig mit dem Ruf nach München mir die Übernahme einer Professur für Landwirtschaftliche Zoologie in Ankara angeboten wurde. Auch die Zahl meiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen (weit über 100) und der Erfolg meiner publizistischen Tätigkeit, vor allem auf dem Gebiete des wissenschaftlich fundierten Naturschutzes, dürfte gegen eine bereits erfolgte Kaltstellung sprechen.
4. Gerade weil es mir nicht gegeben war, mich entsprechend an die damaligen Machthaber anzubiedern oder gar mich mit ihnen zu befreunden, sondern weil ich mein Ziel auf einem geraderen und solideren Weg zu erreichen hoffte, ist vielleicht der beabsichtigte Museumsneubau (heute sagen wir: Gottseidank!) nicht in dem damals üblichen Tempo vorangetrieben worden. [...]
6. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, daß ich von Seiten der Partei wiederholt ernste Ablehnung meiner kulturellen Bestrebungen erfuhr. Das Buch, dem ich vor allem meine Anerkennung als bayrischer Heimatschriftsteller verdanke, der mundartliche Gedichtband 'Das Bairisch Herz', kam sogar auf die schwarze Liste der NSDAP, nicht nur, weil der mir freundschaftlich nahestehende Professor Kurt Huber das Vorwort dazu geschrieben hatte, sondern weil, wie die höchste Prüfstelle in Berlin erklärte, der Verfasser 'auf dem Boden der christlichen Weltanschauung' stehe (!). Auch gelegentlich der Feier, die die Stadt München und der Bayr. Volksbildungsverband zu meinem 60. Geburtstag im Künstlerhaus veranstaltete, durfte daher das 'Bair. Herz' nicht aufgelegt werden. [...]
Den Verpflichtungen gegenüber meiner Familie nachzukommen ist mir, nachdem ich jahrzehntelang meine Kräfte für die Allgemeinheit eingesetzt habe und nunmehr bald mein 66. Lebensjahr vollende, mit den mir laut ME vom 10.11.48 zugebilligten Versorgungsbezügen, wie die seither vergangenen Monate gezeigt haben, ganz unmöglich."72
Einige Bemerkungen sind zu diesem Schreiben nötig:
zu 1.: Es gibt keinerlei Unterlagen, die beweisen, daß Dingler bereits vor 1933 für die Leitung einer etwa abgetrennten Verwaltung der Wissenschaftlichen Sammlungen vorgesehen war. Abgesehen davon, daß eine solche Trennung vor 1933 verworfen worden war, stehen die beiden von Dingler genannten Personen, ein Publizist und ein Volkskundler, in keinem erkennbaren Zusammenhang mit den Sammlungen bzw. der Akademie der Wissenschaften.
zu 2.: Daß Dingler bereits lange vor dem Mai 1933 mit der NSDAP zu tun hatte, wurde oben dargelegt. Daß es jetzt ausgerechnet jemand wie Kurt Huber gewesen sein soll, der Dingler zum Parteieintritt riet, erscheint äußerst zweifelhaft. Und es waren wohl auch kaum "wohlmeinende Freunde", die Dinglers Parteizugehörigkeit besonders herausstellten, das besorgte er, wie bereits anhand seiner eigenen Äußerungen dargelegt, schon selbst.
zu 3.: Es ist doch etwas erstaunlich zu hören, daß Dingler der Berufung nach München nicht ohne Bedenken Folge leistete, nachdem er sich nach Kräften um eben dieselbe bemüht hatte. Auch seine Aussage über das "tote Geleise" entspricht nur zum Teil den Tatsachen. Trotz früherer Versprechungen hatte Dingler keine beamtete Stelle in Gießen erhalten; 50jährig hatte er immer noch nur eine außerplanmäßige außerordentliche Professur inne, im Grunde nur ein glorifizierter Lehrauftrag. Erst 1939 wurde Dinglers Nachfolger als Lehrbeauftragter, der ebenfalls außerplanmäßige außerordentliche Professor Ernst Merker in Gießen, der auch einen Lehrauftrag für vergleichende Physiologie wahrnahm, beamteter außerordentlicher Professor, allerdings wurde zur gleichen Zeit die Forstwissenschaft in Gießen "abgebaut", so daß Merker 1942 nach Freiburg ging.73 Ein Ruf an Dingler nach Ankara ist nicht nachweisbar. Und nach München wurde er ja, wie erwähnt, als Direktor, nicht als wissenschaftliche Persönlichkeit geholt.
zu 4. und 6.: Für jemand, dem es "nicht gegeben war", sich den Nationalsozialisten "entsprechend anzubiedern", konnte es Dingler allerdings recht gut. Und seine gelegentlichen Schwierigkeiten mit der Partei wirkten sich auch nicht besonders schwerwiegend aus, wie seine Übernahme der kulturellen Betreuung für den Reichsarbeitsdienst 1934, die Geburtstagsfeier durch die Stadt München oder der ebenfalls zum 60. Geburtstag erschienene Artikel im Völkischen Beobachter zeigen, in dem er wiederum als einer der alten Anhänger der Bewegung apostrophiert wurde.
Schließlich bleibt auch festzuhalten, daß Dingler natürlich eine Familie zu versorgen hatte, wozu auch die Kinder seines 1944 gefallenen Sohnes gehörten. Aber er hatte immerhin einen Besitz auf dem Land, wo er sicherlich als angesehener "Herr Professor" nicht schlecht versorgt wurde. Andere hatten sehr viel weniger.
Dennoch ‒ Dinglers Antrag hatte einen gewissen Erfolg: Mit Entschließung vom 21. Mai 1949 wurden seine Versorgungsbezüge auf 80% der entsprechenden Versorgungsbezüge eines Abteilungsleiters (A 2 c 1) vom 1.5.1949 an festgesetzt. Und auch ein weiterer Versuch Dinglers, die erhöhten Versorgungsbezüge auf den 1.7.1948 zurückdatieren zu lassen, war, nach der Befürwortung seitens des Kultusministeriums (in der Person Hans Rheinfelders), nicht ganz erfolglos; am 31. Juli 1949 wurden die erhöhten Versorgungsbezüge rückwirkend vom 1. März 1949 an gewährt, da in diesem Monat der Antrag gestellt worden war.74
Doch damit war die Angelegenheit noch nicht beendet. Als 1951 Artikel 131 Grundgesetz zur Regelung der Beamtenverhältnisse durch Gesetz näher bestimmt wurde, sah sich Dingler veranlaßt, entsprechende Anträge auf Versorgungsbezüge bzw. Ruhegehalt auf der Basis seiner Direktorenstelle zu stellen.75 Jetzt stellte sich dem Kultusministerium die Aufgabe herauszufinden, inwieweit es bei Dinglers Berufung zum Ersten Direktor mit rechten Dingen zugegangen war. Drei Mitglieder der Verwaltung der Wissenschaftlichen Sammlungen äußerten sich zu diesem Punkt. Am 27. Oktober 1952 schrieb der Nachfolger Dinglers als Erster Direktor und vorherige Abteilungsdirektor der Zoologischen Staatssammlung, Hans Krieg:
"Es steht fest, daß die Stelle des I. Direktors der Verwaltung der Wissenschaftlichen Sammlungen des Staates durch die Regierung des 3. Reiches neu geschaffen wurde. Welche Zusammenhänge daran schuld waren, daß Herr Prof. Dr. Max Dingler als I. Direktor nominiert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist auch nicht zu beantworten, wer von den Gewährsleuten schon vor der Machtübernahme dafür eingetreten ist, daß Herr Prof. Dr. Dingler für die Errichtung eines naturwissenschaftlichen Museums in München ausersehen war. Von den Gewährsleuten sind Herr Prof. Dr. Mollison [Anthropologie] und Bernhart [Münzsammlung, er hatte eine Erklärung für Dingler im Spruchkammerverfahren abgegeben] tot. Herr Prof. Dr. Wagner und Schröder wurden noch nicht gehört. Ein Befragen der beiden Herren wird vermutlich keine neuen Gesichtspunkte ergeben.
Ob die Ernennung des Herrn Prof. Dr. Dingler zum Ersten Direktor der Staatlichen Sammlungen für Naturkunde beamtenrechtlichen Vorschriften widersprochen hat, insbesondere ob gleichqualifizierte dienstältere Beamten gegenüber Prof. Dr. Dingler zurückgesetzt wurden, kann nach dem vorliegenden Aktenmaterial nicht beantwortet werden. [Der eigentliche Personalakt Dinglers in den Wissenschaftlichen Sammlungen hatte den Krieg nicht überstanden.] Gut qualifizierte, dienstältere und besser qualifizierte jüngere Beamte gab es zwar, doch betraf diese Qualifzierung[!] nicht die Eignung zum I. Direktor, von der Herr Boepple überzeugt schien.
Ich erinnere mich, daß ich mich in einer vom damaligen Staatssekretär Boepple anberaumten und präsidierten Besprechung gegen die Ernennung Dinglers ausgesprochen habe.76 Geheimrat Escherich hat sich damals meiner Ansicht angeschlossen. Es wurde uns aber eröffnet, daß die Ernennung schon beschlossen sei. Die 'Besprechung' war also sinnlos und peinlich. Ich habe dann Herrn Kollegen Dingler als I. Direktor gut kennen gelernt. Er schien mir der Sache nicht gewachsen (was auch im Ministerium mir gegenüber zugegeben wurde), doch erwies er sich als ehrenwerter Mann, wenn auch naiv überzeugter Nationalsozialist."77
Tatsächlich ergaben die Aussagen Joachim Schröders (Paläontologie) und Friedrich Wagners (Vor- und Frühgeschichte) nichts Wesentliches in dem Punkt der Berufung Dinglers. Schröder bemerkte, daß ihm Dingler in politischer Hinsicht nicht negativ aufgefallen sei. "Der beste Wille, in seiner Stellung Gutes zu schaffen, kann ihm nach meiner Überzeugung nicht in Abrede gestellt werden."78 Wagner erwähnt, daß ihm Dingler damals als einziger Kandidat zu Ohren gekommen war, daß er aber auch von verschiedenen Seiten Namen von Personen gehört hatte, die Dinglers Berufung begrüßt hätten, "ein Teil im NS-Lager, ein Teil außerhalb desselben".79
Da eine offenkundige Verletzung beamtenrechtlicher Vorschriften nicht nachweisbar war, ebensowenig die Verbindung Dinglers mit dem Nationalsozialismus als einzige oder auch nur wesentliche Voraussetzung für die Berufung, erhielt Dingler durch Entschließung vom 21. Januar 1953 mit Wirkung vom 1. April 1951 das gesetzliche Ruhegehalt als Beamter im Ruhestand.80 Zu dieser Zeit konnte sich Dingler nun endgültig "rehabilitiert" fühlen, war ihm doch außerdem mit Erlaß vom 7. November 1952 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen worden. Die Vorschlagsbegründung lautete: "Dr. Dingler ist ein eifriger Förderer des Naturschutzgedankens in Oberbayern. Er ist der Mitbegründer der Forschung über Wald- und Forstschädlinge. Besonders verdient gemacht hat sich Dr. Dingler um die Erforschung des Murnauer Mooses. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt der Pflege der Oberbayerischen Mundartdichtung."81
Alle hatten seine Vergangenheit jedoch nicht vergessen. Als 1958 Überlegungen angestellt wurden, Dingler mit dem Verdienstorden Erster Klasse auszuzeichnen, erhielt auch das Bayerische Kultusministerium davon Kenntnis und teilte der Bayerischen Staatskanzlei am 21. März 1958 mit:
"Eine Auszeichnung Dr. Dinglers mit dem Verdienstorden Erster Klasse kann vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus nicht befürwortet werden; weder seine wissenschaftlichen noch seine dichterischen Leistungen rechtfertigen eine solche. Die Auszeichnung mit dem Verdienstkreuz am Bande im Jahre 1952 erfolgte nicht auf Vorschlag des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Bemerkt wird, daß Dr. Dingler den Nationalsozialismus offensichtlich tatkräftig gefördert hat. Er hat im Jahre 1922 die Ortsgruppe Murnau der NSDAP ins Leben gerufen und war am Hitlerputsch am 9.11.1923 beteiligt."82
Und noch einmal sollte Dinglers Vergangenheit ihr Haupt erheben.83 1979 beschloß der Rat der Gemeinde Murnau einstimmig und mit positiver Äußerung der Schulleitung und des Elternbeirats, einer neuerbauten Hauptschule den Namen Max Dinglers zu verleihen, was durch Verordnung der Regierung von Oberbayern vom 18. April 1980 mit Wirkung vom 1. August 1980 geschah. Dagegen wurde jedoch von einer Person die Einwendung erhoben, daß Dingler Nationalsozialist gewesen sei und die Benennung daher rückgängig gemacht werden solle. Weder die Marktgemeinde Murnau noch die Regierung von Oberbayern sahen sich durch die vorgebrachten "Beweise" (das Vorwort Dinglers zu "Das Murnauer Moos") überzeugt. Zusätzlich bezog sich die Regierung von Oberbayern auf das Spruchkammerurteil gegen Dingler und die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an ihn, der nicht nur entsprechende Untersuchungen vorangegangen wären, sondern die auch "u.a." von dem damaligen Staatsminister des Inneren Wilhelm Hoegner vorgeschlagen worden wäre.
Zu Beginn des Jahres 1982 sandte nun eine weitere Person der Regierung von Oberbayern eine Reihe von Zitaten aus Artikeln Dinglers zu, die vor allem im "Murnauer Tagblatt" im Juni 1933 erschienen waren und die Kulturgemeinde Murnau behandelten, später auch Ausschnitte aus dem biographischen Artikel Josef Berlingers. Dennoch lehnte der Murnauer Gemeinderat fast einstimmig eine Namensänderung ab; eine Entscheidung, die die Regierung von Oberbayern respektierte. In einem Schreiben vom 22. Februar 1982 stellte die Regierung fest, daß es so gut wie keine Unterlagen über das Spruchkammerverfahren wie über die Ordensverleihung gebe und man daher auch nichts "Präziseres über die Intensität der Einschaltung" Hoegners bei letzterer aussagen könne. Man wolle sich aber nicht über den parteiübergreifenden Beschluß des Murnauer Gemeinderats hinwegsetzen, der das Lebenswerk Dinglers höher bewerte als "einzelne schriftliche Äußerungen".
Daraufhin reichte die erste Person am 9. März 1982 eine Petition beim Bayerischen Landtag ein, in der neben der Rücknahme der Benennung auch die Überprüfung einer möglichen Pflichtverletzung der Regierung von Oberbayern und des Murnauer Gemeinderats gefordert wurde. Mit diesen Punkten beschäftigte sich schließlich ein neunseitiges Schreiben des Bayerischen Kultusministers vom 21. Juni 1982 an den Präsidenten des Bayerischen Landtags. Als Grundlage hatte das Kultusministerium eine Stellungnahme der Generaldirektion der Wissenschaftlichen Sammlungen des Staates eingeholt, in der nicht nur Dinglers Verhalten als Erster Direktor eine recht positive Würdigung fand, sondern auch festgestellt wurde, daß seine wissenschaftlichen Arbeiten "ausgesprochen hoch einzuschätzen" seien. (Das der Äußerung der Generaldirektion zugrundeliegende Gutachten war jedoch etwas zurückhaltender gewesen und zudem nicht von einem Forstzoologen verfaßt worden.) Die Stellungnahme des Kultusministeriums gestand dann Dingler zu, politische Argumente (wie die bereits erwähnte S. 20 in "Das Murnauer Moos") zur Erreichung seiner Ziele verwendet zu haben, nicht jedoch aus Überzeugung, wenngleich auch dies "aus heutiger Sicht" nicht zu billigen sei. Die Regierung von Oberbayern habe korrekt gehandelt, da die Überprüfungen im Zuge einer Ordensverleihung üblicherweise als ausreichend zu betrachten seien, die Einwände erst nach der Benennung der Schule erfolgten und für eine Rückgängigmachung gegen den Willen des Gemeinderats nicht ausreichten. Den Vorwürfen gegen den Murnauer Gemeinderat widersprach eine angeschlossene Stellungnahme des Bayerischen Innenministeriums.
Im Grunde hatte man sich also weniger mit der Vergangenheit Dinglers beschäftigt ‒ es gibt beispielsweise keinen Hinweis, daß die Personalakte im Kultusministerium eingesehen wurde ‒ als vielmehr mit der Frage, inwieweit gewisse Verwaltungsvorgänge korrekt gewesen waren, was aber auch durch die Vorwürfe seitens des Petenten gegen die Regierung von Oberbayern und den Murnauer Gemeinderat nahegelegt wurde. Am 14. Juli 1982 betrachtete der Ausschuß für kulturpolitische Fragen des Bayerischen Landtags die Eingabe einstimmig als erledigt.
"Wir wissen natürlich auch, daß der Vater [...] eigentlich gar keine Beziehung hatte zu jeder Art von materiellen Dingen dieser Welt, wie Finanzen oder Politik oder wirtschaftliche Probleme. Dadurch auch ist es ihm nicht erspart geblieben, weil er ja ein Vollblut-Idealist war in all seinen Betrachtungen, [...] sich da und dort mal sehr zu verirren und sich verwirren zu lassen. Das waren Dinge, [...] hätte er über diesen Bereich der Finanzen, der Politik, der Wirtschaft mehr gewußt, oder hätte es ihn mehr interessiert, wäre er sicher vor mancher [...] Fehleinschätzung bewahrt geblieben. Diese Einschätzung Dinglers durch den Sohn Götz in einer Rundfunksendung 199184 ist typisch, deckt sich aber keineswegs mit dem Dingler, der uns aus den Akten entgegentritt. Tatsächlich war Dingler sehr an Politik interessiert, jedenfalls an bestimmten Themen. Wie auch sein Brief an Leopold Weber 1931 beweist85, suchte Dingler nach einer ihm genehmen politischen Partei und fand sie, trotz einiger Hinderungsgründe, in der NSDAP. Gerade daß ihm die NSDAP nicht vollkommen zusagte, beweist, daß er sich Gedanken über ihr Programm und seine Stellung dazu machte.
Eine zweite Verteidigungslinie wurde aufgebaut, indem man zwar Dinglers frühe Parteimitgliedschaft konzedierte, ihn jedoch im Laufe der Jahre von der Treue zur NSDAP Abstand nehmen ließ. Zwei Dinge sprechen dagegen: Zum einen gibt es keinen zeitgenössischen Beleg dafür, daß Dinglers Einstellung zur NSDAP, genauer zu Hitler, sich im Laufe der Jahre signifikant veränderte, wenngleich die Begeisterung nachgelassen haben mag; daß er so gut wie keine politischen Äußerungen in seine wissenschaftlichen und populären Veröffentlichungen aufnahm 86, ehrt ihn, jedoch hielt er auch Vorträge, in denen er "dem führenden Willen und der glühenden Vaterlandsliebe eines einzigen Mannes, eines unserer Kameraden aus dem Schützengraben des Listregiments" für die Überwindung der "Schmachzeit" dankte, und dies keineswegs nur pro forma.87
Zum anderen widerspräche eine solche Abweichung gerade einem der typischsten Charakterzüge Dinglers, der sogar in den Erklärungen seiner Freunde für die Spruchkammer Erwähnung findet: seine "übersteigerte Treueauffassung", um nicht zu sagen eine geradezu pervertierte Loyalität. Nachdem Dingler Hitler 1922 die Treue "in die Hand gelobt" hatte, ging er nicht mehr davon ab. Diese "Kameradschaft bis in den Tod"88, deren Erfahrung für Dingler auch eines der Hauptmerkmale des Ersten Weltkriegs ausmachte, erklärt auch manche seiner Äußerungen nach 1945. Gerne wird aus seiner Autobiographie zitiert: "Freilich gab nachmals jenen deutschen Männern, die [...] den Nationalsozialismus und seinen Führer ablehnten, ihre Skepsis recht."89 Die unveröffentlichte Fassung fährt dann aber fort: "Selbst als die kriegerische Tendenz in den brutalen Methoden der Machtansammlung hervorzutreten begann, ließ sich nicht ohne weiteres mit einem 'Bis hierher und nicht weiter!' das in einen gefährlichen Wellengang geratene Schiff verlassen. Und zwar hauptsächlich aus folgendem Grund:
Die Jugend schwor auf ihren Führer und war bereit, ihr Leben für ihn einzusetzen. Wir, die Elterngeneration, hatten ja auch an ihn geglaubt und sollten jetzt unsere Kinder in den Gewissenskonflikt stürzen, der zum Bruch nicht mit ihrem Idol. sondern mit dem Elternhaus geführt und sie darum völlig entwurzelt hätte! Auch hielten wir uns an das Große, was in der Arbeitsbeschaffung, der Notlinderung, im Wiedergewinn nationalen Selbstvertrauens, in der Überbrückung der Klassengegensätze und anderem erreicht war, und blieben überzeugt, daß Auswüchse, die Kinderkrankheiten jeden Machtwandels, sich mit der Zeit verlieren würden. Ein ganzes Volk, eines der stärksten und bewundertsten auf der Erde, hoffte das und rannte in einen Zusammenbruch, wie die Geschichte der Menschheit kaum einen zweiten kennt.
Und heute, noch mitten in den Wirkungen dieses Zusammenbruchs, meine ich: diejenigen, die sich ehrlich zu Hitler als dem erhofften Retter bekannten, und jene, die ihn ebenso ehrlich als Verderber und Unheilbringer ablehnten, sollten sich endgültig zusammenfinden. Das Brandmal der Erbärmlichkeit sei nur denen aufgedrückt, die erst laut vernehmlich 'Heil Hitler!' brüllten und jetzt mit gleicher Lautstärke jeden einstigen 'Nazi' an den Pranger stellen. Das würde uns viel von der alten Achtung in der Welt zurückgewinnen."90
Nicht nur sind also jetzt seine Kinder mitschuldig, daß er Hitler weiter die Stange hielt, wieder wird deutlich, wie hoch Dingler die "Treue", den "geraden Weg" einschätzt; höher jedenfalls als die Millionen Opfer, die zwischen Hitler-Befürwortern und Hitler-Gegnern stehen.
Erstaunlich ist auch, daß Dingler den Krieg offenbar nicht Hitler anlastet. Obwohl er dadurch seinen ältesten Sohn verlor, äußert er sich so gut wie nie über Recht oder Unrecht dieses Krieges.91 (Wäre das nicht, allerspätestens, der Moment gewesen zu sagen: "Nicht weiter"?) Dagegen findet man eine Bemerkung zur Nachkriegssituation: "Freilich haben manche Begriffe, wie Vaterland, Rasse, Klasse, Glaube, Heldentum, Armee, Krieg ‒ ich möchte sie Begriffe der praktischen Ethik nennen ‒ ihren Sinn gewandelt. Oder vielmehr: sie sind unter der Wucht der Geschehnisse in einen anderen Lebensbezug gerückt. Einst gab es noch einen 'gerechten', ja einen 'heiligen' Krieg. Kann aber der heute die Gemüter ängstigende Vernichtungskampf zwischen den beiden Hälften der Menschheit noch mit einem sittlichen Motiv beschönigt werden?"92 Unwillkürlich fragt man sich, ob denn der gerade vergangene Krieg (oder auch der Erste Weltkrieg) etwa ein "sittliches Motiv" hatte.
Dingler war offensichtlich ein Mann, dem Verstand gegeben war und der diesen Verstand z.B. bei der Beschaffung seiner Stelle als Erster Direktor oder in der Angelegenheit seiner Ruhestandsbezüge durchaus "praktisch" einzusetzen wußte. Entweder war er dann auch mit Verstand ein Anhänger Hitlers und des Nationalsozialismus, oder er gebrauchte seinen Verstand in dieser Hinsicht nicht. (Es gibt eine Tendenz, gerade Wissenschaftlern, die per definitionem mit einem kritischen Verstand ausgestattet sein sollten, den Nichtgebrauch desselben in politischen Dingen zu verzeihen.) Aber auch wenn man von keinem Menschen Heldentaten verlangen kann und damit in einem System wie dem nationalsozialistischen, das seine Ansprüche in fast jedem Lebensbereich geltend zu machen suchte, ein Minimum an Anpassung für die Existenzerhaltung oft unausweichlich ist, so kann man erwarten, daß dieses Maß allein aus Gründen des Anstands und der Menschlichkeit nicht wesentlich überschritten wird. Dingler hingegen legte mehr Wert auf "Treue" und auf eine eher ungewöhnliche, weil für ihn in normalen Zeiten wohl unmögliche, Karriere; seine Stellung zu Hitler und zum Nationalsozialismus ging deutlich über das Notwendige hinaus93 ‒ und dies muß man ihm zum Vorwurf machen, gleichgültig, ob er seinen kritischen Verstand einsetzte oder nicht.
Wie sähe nun eine Bilanz aus? Auf der Seite der Aktiva stehen seine literarische Begabung, die Bestrebungen um den Naturschutz, seine wissenschaftlichen Leistungen. Daß er niemandem etwas Böses wollte, sollte selbstverständlich sein. Auf der Seite der Passiva stehen sein Festhalten an Hitler bis zum Schluß, sein Ignorieren der negativen Geschehnisse um ihn herum, vielleicht mehr aber noch die Weigerung, sein Verhalten und seine Überzeugungen wirklich als falsch einzugestehen und die Verantwortung für das auch in seinem Namen Geschehene zu übernehmen; das Ausnutzen seiner Parteimitgliedschaft und seiner Beziehungen für den eigenen Vorteil im Falle des Direktorenpostens; außerdem eine recht egozentrische Sichtweise, die ihn z.B. 1945 zu einer unverhältnismäßigen Einschätzung der eigenen Probleme führte.
Die Gewichtung der einzelnen Punkte und die Erstellung einer Gesamtwürdigung wird jeder verschieden durchführen, je nach den eigenen Interessen, Erfahrungen und Vorstellungen. Für mich ergibt sich eine auf der negativen Seite liegende Beurteilung, wenn sich Dingler auch, wie so viele seiner Zeitgenossen, einer einfachen Kategorisierung entzieht. Zumindest aber sollte es nicht mehr möglich sein, die politische Seite zu ignorieren oder zu verharmlosen und Dingler als "Vollblut-Idealisten" und politisch Verführten (sprich: Opfer) darzustellen. Beides war er sicher nicht.
* Dieser Artikel entstand im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts "Das Schicksal der Naturwissenschaftler an der Universität München 1945-1949". Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der in den Anmerkungen genannten Archive und Behörden herzlich für die freundliche Unterstützung.
1 Z. B. Karl Alexander von Müller: Nachruf für Max Dingler. Schönere Heimat 50, 1961, S. 312-313; Ludwig Hollweck: In ihm schlug ein "bairisch Herz". Münchner Stadtanzeiger, 13.5.1983, S. 4; Norbert Göttler: "Oamol san alle Gstanzln gar ...". Literatur in Bayern 29, 1992, S. 34-38. Zurück
2 Norbert Göttler: Max Dingler. Sendung vom 21.4.1991 in Bayern 2. Zurück
3 Abgedruckt in Josef Berlinger: Ein deutscher Bayer. gehört ‒ gelesen 11, 1978, S. 29-41. Zurück
4 Im wesentlichen nach den oben genannten Werken und nach Max Dingler: Werden und Reifen. Hausham 1962. Zurück
5 Dingler: Werden und Reifen, S. 26, 33. Zurück
6 Dingler: Werden und Reifen, S. 58. Zurück
7 Vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv ‒ Kriegsarchiv: OP 1919 Max Dingler. Stadtbibliothek München Handschriftensammlung (SBM): Nachlaß Max Dingler, L4714. Zurück
8 SBM: Nachlaß Max Dingler, L4753, S. 20. Zurück
9 Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA): MK 44630 (Karteikartenabschrift). Zurück
10 Karl Alexander von Müller: Im Wandel einer Welt. München 1966, S. 153. Zurück
11 SBM: Nachlaß Max Dingler, L 4753, S. 20. Zurück
12 Entsprechende Äußerungen Dinglers finden sich auch in Unterlagen des früheren Berlin Document Center, jetzt Bundesarchiv Außenstelle Berlin-Zehlendorf (BDC), z.B. im Bestand Reichskulturkammer; offizielle Unterlagen zu seiner frühen Parteizugehörigkeit scheinen indes dort nicht vorhanden zu sein. Eine frühere Parteimitgliedschaftsnummer in der Gegend von 6600 findet sich dagegen auf verschiedenen von Dingler und vom Kultusministerium verfaßten Dokumenten in BayHStA: MK 44630. Diese Eintragungen mögen die Grundlage für die späteren Angaben seitens "Special Branch" gewesen sein. Zurück
13 SBM: Nachlaß Max Dingler, L4753, S. 20. Zurück
14 BayHStA: MK 44630 (Anlage zu Fragebogen I). Zurück
15 Vgl. die handschriftlichen Notizen für einen Vortrag über die Ereignisse des 9. November 1923 in SBM: Nachlaß Max Dingler, L4593. Dingler war auch im Besitz des grünen Dauerausweises für den 8./9. November 1923. BayHStA: MK 44630 (Karteikartenabschrift). Vgl. den Völkischen Beobachter vom 30.8.1937. Zurück
16 SBM: Nachlaß Max Dingler, Dingler an Leopold Weber, 27.12.1931. Auch zitiert bei Berlinger, S. 35. Zurück
17 BayHStA: MK 44630 (Anlage zu Fragebogen I vom 15.6.1937). Zurück
18 Es fällt auf, daß Dingler just in dem Jahr, in dem die NSDAP in Hessen die stärkste Partei wurde, die "Wiederaufnahme" beantragte. Vorher war die Mitgliedschaft im Volksstaat nicht unbedingt eine Empfehlung. Vgl. Anm. 29. Zurück
19 BDC: Parteikartei (Mitgliedsnummer 3208137). Zurück
20 Laut Dingler leistete diese Frauenschaft nur Gutes ‒ "auch ohne Unterschied der Rasse!". SBM: Nachlaß Max Dingler, L4753, S. 20. Zurück
21 Daß er auch stets Hitler gewählt habe, bestätigte ihm die Kommissarische Kreisleitung Weilheim-Murnau im August 1933. BayHStA: MK 44630. Zurück
22 Die entsprechende Karteikarte im BDC gibt für den Eintritt den 1.1.1933 an. Zurück
23 BayHStA: MK 44630 (Anlage zu Fragebogen I). Zurück
25 Ebd. Vgl. auch Stadtarchiv München: Nachlaß Kurt Huber, Nr. 54. Allerdings scheint es, daß Dingler die Auflösung nicht gelang. Zurück
26 BayHStA: MK 44630 (Anlage zu Fragebogen I). Vgl. aber BDC: OPG Dingler, Max. Danach hatte das Gaugericht München-Oberbayern am 19.4.1934 beschlossen, daß Dingler keine Parteiämter bekleiden und auch die Kulturgemeinde Murnau nicht führen dürfe, da er drei Viertel des Jahres in Gießen verbringe. Zurück
27 SBM: Nachlaß Max Dingler, Dingler an Leopold Weber, 27.12.1931. Zurück
28 BayHStA: ad MK 44630. Schreiben des Universitätsarchivs Gießen vom 21.9.1995 an den Verfasser. Zurück
29 Vgl. Oberhessische Tageszeitung vom 19.9.1937, in der sich Entsprechendes findet. Als Kuriosum am Rande sei vermerkt, daß Dinglers Beteiligung am Hitlerputsch innerhalb der Gießener Universität 1926 gegen ihn ins Feld geführt worden war, aber schließlich als erfunden abgetan wurde. BayHStA: ad MK 44630. Zurück
30 BayHStA: ad MK 44630 (6.9.1933). Zurück
32 BayHStA: ad MK 44630. Zurück
33 Zum folgenden ausführlicher: Freddy Litten: Die Trennung der Verwaltung der Wissenschaftlichen Sammlungen des Staates von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 55, 1992, S. 411-420. Zurück
34 Monika Störmer: Die Bayerische Akademie der Wissenschaften im Dritten Reich. In: Die Elite der Nation im Dritten Reich. (Acta Historica Leopoldina, Nummer 22.) Halle (Saale) 1995, S. 89-109. Hier vor allem S. 100ff. Zurück
35 Dingler nennt ihn als Referenz in seinem Schreiben an das Hessische Kultusministerium vom 6.9.1933. Vgl. Anm. 30. Zurück
36 BayHStA: MK VI/998 (vorläufige Signatur; alte Kultusministerialsignatur: VI/Neuregelung.) Zurück
37 Vgl. Litten: Trennung der Verwaltung. S. 417f. Zurück
38 Dingler: Werden und Reifen, S. 75. Zurück
39 Generaldirektion der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (GWS): Personalakt Max Dingler. Zurück
40 BayHStA: MK 44630 (12.3.1943). Zurück
41 GWS: Personalakt Max Dingler. Zurück
42 Das folgende nach BayHStA: MK 44630. Zurück
43 Universitätsarchiv München (UAM): OC-N-1d (Fakultätsprotokolle). Die Frage des Vorrangs der wissenschaftlichen oder der politischen Interessen war zu jener Zeit an der Universität München wegen der Nachfolge des Physikers Arnold Sommerfeld heftigst umstritten. Vgl. Alan D. Beyerchen: Wissenschaftler unter Hitler. Frankfurt am Main 1982. Zu Thürings Rolle siehe auch Freddy Litten: Die Carathéorody-Nachfolge in München 1938-1944. Centaurus 37, 1994, S. 154-172 (passim). [Anm. 2003: Siehe jetzt auch Freddy Litten: Mechanik und Antisemitismus. Wilhelm Müller (1880-1968). Zurück
44 Das folgende nach BayHStA: MK 44630. Zurück
45 UAM: E-II-N Max Dingler. Zurück
46 Dingler: Werden und Reifen, S. 75. Zurück
48 Dies scheint sich in den folgenden Semestern etwas gebessert zu haben. Vgl. UAM: OC-N-14 Max Dingler (25.7.1944). Zurück
49 Noch nicht "Das Bairisch Herz". Zurück
50 BayHStA: MK 44630 (28.2.1942). Zurück
51 GWS: Personalakt Max Dingler (1.12.1952). Zurück
52 Völkischer Beobachter vom 16.5.1943. Wieder einmal wurde darauf verwiesen, daß Dingler zu den ältesten Anhängern der nationalsozialistischen Bewegung zähle und an dem "historischen Marsch" zur Feldherrnhalle teilgenommen hätte. Zurück
53 UAM: OC-N-14 Max Dingler. Zurück
54 Mündliche und schriftliche Quellen dazu stimmen allerdings nicht ganz überein. Zurück
55 Völkischer Beobachter vom 4./5.11.1944, S. 5. Zurück
56 Vgl. Litten: Trennung der Verwaltung, S. 420. Zurück
57 BayHStA: MK 44630. UAM: E-II-N Max Dingler. GWS: Personalakt Max Dingler (9.8.1945). Die formal endgültige Enthebung erfolgte am 15.4.1946. Zurück
58 SBM: Nachlaß Max Dingler, L4578. Zurück
59 Ebd., Gedichte I und IV. Zurück
61 Das folgende nach: Amtsgericht Weilheim: Spruchkammerakte Max Dingler. Zurück
62 Vgl. SBM: Nachlaß Max Dingler, L4753, S. 20. Zurück
63 Vgl. SBM: Schreiben Louise Dacqués an Dingler vom 21.11.1946. Zurück
64 Dingler zitierte in einer seiner wenigen veröffentlichten politischen "Entgleisungen" auch Kobler, der "eindringlich auf die Naturverbundenheit des deutschen Menschen als wichtige Wehr im Kampf gegen den Bolschewismus hingewiesen habe". Max Dingler (Hrsg.): Das Murnauer Moos. München 1941. S. 20. Zurück
65 BDC: REM-Akte Karl von Frisch (22.1.1942). Vgl. Ute Deichmann: Biologen unter Hitler. Frankfurt am Main 1992. S. 239-247, besonders S. 244. Sie verwechselt allerdings Max Dingler mit seinem Vetter Hugo Dingler. Zu diesem vgl. Gereon Wolters: Opportunismus als Naturanlage: Hugo Dingler und das "Dritte Reich". In: Entwicklungen der methodischen Philosophie. Hg. von Peter Janich. Frankfurt am Main 1992. S. 257-327. Zurück
66 NS-Deutscher-Dozentenbund, NS-Volkswohlfahrt, Reichsbund der Deutschen Beamten, NS-Kriegsopferversorgung, Reichsluftschutzbund, Volksbund für das Deutschtum im Ausland, Reichskolonialbund, Reichskulturkammer, Deutsches Rotes Kreuz. Zurück
67 Auch in der parteistatistischen Erhebung vom Juli 1939 hatte Dingler eine veritable Anzahl von Mitgliedschaften vermelden können. BDC: PK: Max Dingler. Zurück
69 GWS: Personalakt Max Dingler. Zurück
71 GWS: Personalakt Max Dingler. Zurück
73 Schreiben des Universitätsarchivs Gießen vom 19.10.1995 an den Verfassern. Zurück
74 GWS: Personalakt Max Dingler. Zurück
75 BayHStA: MK 44630 (8.4.1951, 6.4.1952). Zurück
76 Davon findet sich im Protokoll der Besprechung vom 28.5.1935 nichts, eher im Gegenteil meinte Krieg, daß er mit dem geplanten "Generaldirektor" wohl recht gut auskommen werde. BayHStA: MK VI/998. Zurück
78 BayHStA: MK 44630 (24.11.1952). Zurück
79 BayHStA: MK 44630 (1.12.1952). Zurück
80 GWS: Personalakt Max Dingler. Zurück
81 Der Vorschlag kam aus dem Bayerischen Innenministerium, Näheres darüber und über das Prüfverfahren ist mangels Unterlagen in München und Bonn nicht mehr zu eruieren. Schreiben der Bayerischen Staatskanzlei vom 14.6.1995 an den Verfasser; telefonische Auskunft des Bundespräsidialamts vom 23.10.1995; mündliche Auskunft des Bayerischen Hauptstaatsarchivs vom 25.10.1995. Vgl. aber die Ausführungen weiter unten. Zurück
83 Die folgende Darstellung nach den Unterlagen des Bayerischen Landtags (Az.: AV.K.857.20270) und Auskünften. Zurück
84 Norbert Göttler: Max Dingler. Sendung vom 21.4.1991 in Bayern 2. Zurück
87 SBM: Nachlaß Max Dingler, L4714, S. 17. Zurück
89 Dingler: Werden und Reifen, S. 70. Zurück
90 SBM: Nachlaß Max Dingler, L4753, S. 20. Zurück
91 Sofern man nicht die bereits erwähnte S. 20 seines Vorworts zu "Das Murnauer Moos" als Ausdruck seiner tatsächlichen Überzeugung ansieht, daß also Deutschland "in schwerem Kampf um sein Lebensrecht und um die Gestaltung eines glücklicheren Europa" stände. Möglich ist indes, daß es sich tatsächlich nur um ein Zugeständnis an die damalige Zeit handelt, ähnlich wie bei der Benutzung des Begriffs "Blut und Boden" in seinen Denkschriften von 1934, der eher als zeitgemäßes Synonym für "Ökologie" zu dienen scheint denn als ideologisch-politische Aussage. Zurück
92 Dingler: Werden und Reifen, S. 111f. Zurück
93 Ich definiere das "Notwendige" hierbei als theoretisches Maß, das in Einzelfällen durchaus unter- oder überschritten werden konnte, aufgrund meiner Kenntnisse der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München während des Dritten Reiches. Es gab dort sicherlich Mitglieder, die in dieser Hinsicht negativer einzuschätzen sind als Dingler (beispielsweise der bereits erwähnte Thüring), aber es gab eben auch eine gar nicht so kleine Gruppe, die sich bemühte, nur ein Minimum an politischer Aktivität an den Tag zu legen (bei Nicht-Ordinarien rein nominale Parteimitgliedschaft ab 1937, sonst bestenfalls noch Mitgliedschaft in der SA oder dem NS-Kraftfahrkorps,bei Ordinarien üblicherweise gar keine Mitgliedschaften, außer vielleicht in der NS-Volkswohlfahrt), soweit es eben die in anderen Zeiten normale Karriere erforderte. Wieweit Angehörige dieser Gruppe "systemstabilisierend" wirkten und wieviel Mitverantwortung sie für die Geschehnisse tragen müssen, ist eine nicht so einfach zu beantwortende Frage. Und daneben gab es auch noch ausgesprochene Gegner des Nationalsozialismus, die zwar einzelne Zugeständnisse (Eid auf Hitler, "kriegswichtige" Forschung) machten, aber insgesamt nationalsozialistische Bestrebungen aufhalten und in einigen Fällen sogar zurückdrängen konnten. Vgl. z.B. Litten: Die Carathéodory-Nachfolge. Zurück
© Freddy Litten
13.7.2023