Freddy Litten

(Frederick S. Litten)

Ernst Grossmann ‒ Kurzbiographie

Die folgende Kurzbiographie wurde ursprünglich 1993 für den zweiten Band des "Professorenkatalogs" der Ludwig-Maximilians-Universität München verfaßt und 2000 auf den damals neuesten Stand gebracht. Da jedoch das Erscheinen dieses Bandes immer noch nicht absehbar ist, wird sie hiermit in seitdem unveränderter Form im Internet präsentiert, um vielleicht doch noch von Nutzen zu sein.
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Grossmann, Ernst August Friedrich Wilhelm, * 16. 2. 1863 Rotenburg bei Bremen, † 17. 3. 1933 München. (ev.) ⚭ 1905 Luise Pauls, * 15. 8. 1885 Rating/Eiderstätt.
V Fritz, Landwirt, † 2. 10. 1880; M Mathilde Meyer.

G. erhielt sein Abitur 1883 am Gymnasium in Lüneburg und studierte daraufhin an den Univ. Halle und Göttingen. 1891 promovierte er in Astronomie an der Univ. Göttingen als Schüler von Leopold Ambronn und Friedrich Schur, bis 1896 war er Assistent an der dortigen Univ.-Sternwarte, dann bis 1898 Assistent an der von Kuffnerschen Sternwarte in Wien-Ottakring und bis 1902 an der Sternwarte Leipzig. G. wurde daraufhin Assistent an der Kieler Sternwarte bei Paul Harzer und am 2. 8. 1902 zum Privatdozenten an der Univ. Kiel ernannt. Von 1. 10. 1906 bis 30. 11. 1907 war G. Observator der Kommission für Internationale Erdmessung der Bayer. Akad. der Wissenschaften in München; am 21. 12. 1906 wurde er an der Univ. München zum Priv.-Doz. ernannt; ab 1. 12. 1907 war er Observator an der Sternwarte München-Bogenhausen. Von 1906 bis 1921 hielt G. einen Lehrauftrag für Astronomie bzw. astronomische Ortsbestimmung an der Technischen Hochschule München, während ihm am 27. 12. 1909 Titel und Rang eines ao. Prof.s für Astronomie an der Univ. München verliehen wurde. 1917 wurde G. Mitglied der Kommission für Internationale Erdmessung der Bayer. Akad. der Wissenschaften; 1918 wurde ihm der Verdienstorden des hl. Michael IV. Klasse verliehen; 1919 erhielt er Titel und Rang eines o. Prof.s an der Univ. München, sowie einen Lehrauftrag für praktische Astronomie; 1920 wurde er zum Hauptobservator befördert. Nach dem Tode Hugo von Seeligers im Dezember 1924 bis zum Amtsantritt Alexander Wilkens' im September 1925 war G. kommissarischer Direktor der Sternwarte München-Bogenhausen; im Juni 1925 erhielt er auch die Rechte eines o. Prof.s. Am 1. 4. 1928 wurde G. in den Ruhestand versetzt, behielt aber den Lehrauftrag bis zu seinem Tod.

Sieht man von seiner relativ kurzen Tätigkeit als Observator der Kommission für Internationale Erdmessung, so lag G.s fast ausschließliches Bemühen auf dem Gebiet der Meridiankreisbeobachtungen. Neben der Untersuchung von Instrumentenfehlern interessierten ihn besonders die Frage der Sternparallaxen, der Orientierung des Fundamentalsystems und der astronomischen Refraktion. Das von ihm 1910 auf der Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft in Breslau vorgeschlagene Parallaxenprojekt lieferte, entgegen der Absicht, nur die Bestätigung, daß die neue photographische Methode für solche Zwecke besser geeignet war. Seine Studien zur Orientierung des Fundamentalsystems kamen zu keinem endgültigen Abschluß. Eine Überprüfung der vorhandenen Beobachtungen des Merkurperihels führte ihn zu dem Schluß, daß die damals (1921) vorhandenen Werte nicht ausreichend genau waren. G.s Untersuchungen zur Refraktion lieferten einen Wert für die Refraktionskonstante, der noch lange Zeit später benutzt wurde. Seine besonders gründliche Art sicherte seinen relativ wenigen Publikationen zu ihrer Zeit einiges Ansehen, das jedoch kaum über das Spezialgebiet hinausreichte. In der Lehre war er überwiegend für die praktische Ausbildung der Studenten zuständig.

Q UAM, E-II-N Ernst Grossmann, OC-N 14 Ernst Grossmann; BayHStAM, MK 17702; BayHStAM, Kriegsarchiv, OP 20165; Archiv der Technischen Universität München, Personalakt E. G.

W Untersuchung über systematische Fehler bei Doppelsternbeobachtungen ausgeführt in Verbindung mit einer Bahnbestimmung des Doppelsterns "η coronae borealis", Diss. Univ. Göttingen 1891 (gedruckt: Göttingen 1892); Zur Erstellung einer parallaktischen Durchmusterung des Himmels, Astronomische Nachrichten 188 (1911), 65-74; Parallaxenbestimmungen an dem Meridiankreise der K. Sternwarte zu München (1917), Neue Annalen der Sternwarte München 5 (1926), 1-172; Untersuchungen über die astronomische Refraktion (1917), Abhandlungen der mathematisch-physikalischen Klasse der Bayer. Akad. der Wissenschaften 28 (1920), 9. Abhandlung; Die Bewegung des Merkurperihels nach den Arbeiten Newcombs, Astronomische Nachrichten 214 (1921), 41-54.

L DBA N.F.; Poggendorff, Bde. IV, V, VI (W); J. Dick, E. G. zum 70. Geburtstage, Forschungen und Fortschritte 9 (1933), 71-72; E. G., Jahrbuch der Ludwig-Maximilians-Universität München für das Jahr 1932/33, München 1934, 14-16; H. Kienle, E. G., Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft 69 (1934), 258-263; F. Schmeidler, E. G., Dictionary of Scientific Biography, Bd. 5, New York 1972, 554; F. Litten, Astronomie in Bayern 1914-1945, Stuttgart 1992.

P Porträtgallerie der Astronomischen Gesellschaft, Budapest 1931, 25.

© Freddy Litten
13.7.2023